Wie Köln den Wandel der Medienbranche mitgestaltet

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Let´s Dance ‑ Das große Finale ... 4,15 Millionen Zuschauer haben allein das Finale der in Köln produzierten RTL-Reality Show mit der Jury Jorge Gonzlez (l.), Motsi Mabuse und Joachim Llambi gesehen.
© RTL/Frank W.

Menschen nutzen Medien anders als früher, immer mehr streamen Serien und Filme. Doch auch das lineare Fernsehen hat nach wie vor viele Fans. Wie stellen sich Sender und Produktionsfirmen auf diese Herausforderung ein? Eine Momentaufnahme.

 

So häufig, wie Streamingdienst-Anbieter für sich werben, müsste man meinen, dass sie den Markt in Deutschland längst erobert hätten. Netflix, Amazon Prime, Disney+ und Co, sie müssten das lineare Fernsehen längst abgelöst haben. Doch Studien zeichnen ein deutlich differenzierteres Bild.

 

Tatsächlich nutzen lediglich 24 Prozent der Deutschen über 14 Jahre täglich einen Videostreaming-Dienst. Gleichzeitig nutzen noch 65 Prozent Tag für Tag das klassische Fernsehen. Und das sind keine alten Zahlen, die Studie von ARD und ZDF stammt aus dem Jahr 2022. Sie zeigt, dass das Medienkonsumverhalten der Deutschen nach wie vor sehr vielseitig ist.

 

Für Medienunternehmen bringt das Herausforderungen mit sich. Einerseits wollen und müssen sie ihr Geschäft digitalisieren, um das Interesse an Streamingplattformen und Video-on-Demand zu befriedigen. Andererseits können sie die klassischen Verbreitungskanäle nicht ignorieren, die nach wie vor einen Großteil der Bevölkerung ansprechen. Welche Formate man für welchen Kanal produziert, diese Frage müssen sich Fernsehsender, Produktionsfirmen und alle am Prozess Beteiligten stellen.

 

Auf zwei Gleisen in die Zukunft

Sie beschäftigt auch die Führungskräfte bei RTL in Köln-Deutz. Der Medienkonzern betreibt allein in Deutschland aktuell 13 Fernsehsender, neben dem Hauptkanal unter anderem noch RTL Zwei, RTL Super und den Nachrichtenkanal ntv. „Nach wie vor erreicht man mit keinem anderen Medium mehr Menschen zeitgleich als mit linearem TV“, sagt Claus Grewenig, Chief Corporate Affairs Officer bei RTL Deutschland. Das jüngste Staffelfinale der Reality-Show „Let’s Dance“ hätten dort durchschnittlich 4,15 Millionen Zuschauer*innen gesehen. Beim Freundschaftsspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Belgien hätten zeitweise 8,06 Millionen Menschen eingeschaltet. Heißt: Auf dem Abstellgleis steht der Bereich bei RTL keinesfalls. Formate wie das erwähnte „Let’s Dance“, „Wer wird Millionär?“ oder „Grill den Henssler“ – die alle in Köln produziert werden – sind nach wie vor verlässliche Quotenbringer für die Sendergruppe. Viele Erfolgssendungen werden in Ossendorf gedreht, dort sitzen die MMC Studios. Das sogenannte Coloneum ist einer der größten Studio-komplexe Europas, insgesamt 23 Studios gibt es dort, darunter auch das mit 26 Metern höchste Filmstudio der Welt.

 

Neben den linearen Angeboten spielt RTL auch auf dem Streamingmarkt mit – um jüngeres Publikum zu erreichen. Dafür soll RTL+ sorgen. Ursprünglich vor allem als eine Art Mediathek für die Zweitverwertung gedacht, produziert RTL mittlerweile auch seit einigen Jahren eigene Formate, die primär dort laufen. „Wir verzeichnen heute bereits über 4,5 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten“, erklärt Grewenig.

 

Auch der Westdeutsche Rundfunk (WDR), die in Köln beheimatete größte Sendeanstalt im ARD-Verbund, arbeitet zweigleisig. Intendant Tom Buhrow erklärte aber schon vergangenes Jahr, dass das Haus seine Digitalstrategie noch einmal angepasst habe und nun deutlich ambitionierter sei. Bis 2025 will der WDR 60 Prozent aller Menschen im Sendegebiet einmal die Woche digital erreichen, 40 Prozent sogar täglich. Der öffentlich-rechtliche Sender ist dabei nicht nur per Mediathek zu erreichen, auch YouTube und andere soziale Netzwerke spielen eine Rolle.

 

Wenn die großen Sendergruppen sich umstellen, bedeutet das auch Veränderungen für ihre Zulieferer. Dazu zählen etwa die Produktionsfirmen, von denen es gerade in Köln Dutzende gibt, darunter Schwergewichte wie filmpool, ITV Studios Germany und der deutsche TV-Ableger von Warner Bros. Zahlen speziell zu Köln gibt es nicht, laut einer Studie der Hamburg Media School schulterten Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen 2020 rund 46 Prozent des Produktionsvolumens für TV, Video-on-Demand und Kino, mit Köln als wichtigstem Standort im Bundesland.

 

Vor allem im Entertainmentbereich ist NRW hervorragend aufgestellt, hier waren die örtlichen Produktionsfirmen sogar für 61 Prozent des Produktionsvolumens zuständig, während sie zum Beispiel bei Fiktion nur für 15 Prozent verantwortlich waren. Diese Verteilung könnte sich in den kommenden Jahren verändern. „Gerade bei den großen Sendegruppen beobachten wir aktuell, dass die Werbeeinnahmen sinken und sie entsprechend weniger Produktionen bestellen“, erklärt Oliver Castendyk, Direktor des Forschungs- und Kompetenzzentrums Audiovisuelle Produktion der Hamburg Media School. Gleichzeitig steige durch Nachfrager wie etwa Netflix der Bedarf an hochwertigen Fiktionsformaten.

 

Aus Köln den Wandel mitgestalten

Eine der Firmen, die diesen sich wandelnden Markt bespielt, ist die bildundtonfabrik (btf) in Ehrenfeld mit etwa 90 Mitarbeiter*innen. 2012 gegründet, startete das Unternehmen mit Produktionen fürs lineare Fernsehen durch, etwa der Talkshow Roche & Böhmermann und dem Neo Magazin Royal (beide fürs ZDF). In den vergangenen Jahren kamen dann auch einige der größten deutschen Streaminghits von der Firma, etwa die Serien „How to Sell Drugs Online Fast“ und „King of Stonks“, die bei Netflix im Programm sind. Eine völlige Orientierung auf einen Kanal plant auch die btf nicht. „Unsere Auftraggebenden finden wir bei Fernsehsendern und Streamingplattformen gleichermaßen“, sagt Yannick Moll, Head of Production. Für die Arbeit an einem neuen Format ist die Ausspielungsplattform sowieso nur einer von mehreren Aspekten, die den Produktionsprozess beeinflussen. Auch Faktoren wie Genre, Zielgruppe und Auftragsvolumen seien wichtig, so Moll.

 

Wie konkret sich der Medienkonsum weiter ausdifferenzieren wird und was dies für Köln bedeutet, bleibt offen. „Für die Zukunft des Film- und Fernsehproduktionsstandorts Köln sehe ich große Chancen”, sagt Björn Böhning, Geschäftsführer der deutschen Produzentenallianz, der größten Branchenvertretung im Land. „Die Nachfrage nach Entertainment-Formaten wird weiter steigen, wenn wir es schaffen, Formate auch für neue Zielgruppen zu entwickeln”, ist er sich sicher. Das bedeute bunte, zielgruppenorientierte und experimentelle Programme: „Die kreative Szene, die rheinische Tradition und die wirtschaftliche Stärke des Standorts Köln bieten dafür beste Voraussetzungen.”


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© Jens Koch

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