Interview zum Deutzer Hafen: "Lebendig und gemischt"

 - KölnBusiness
So soll der Deutzer Hafen zukünftig aussehen.
© Bild: moderne stadt

Herr Röhrig, mit dem Deutzer Hafen gewinnt Köln ein neues Stadtquartier dazu. Was wird es besonders machen? Welchen Charakter soll es nach seiner Eröffnung haben?

Ich bin Stadtentwickler aus Leidenschaft. Mir ist es wichtig, dass das Quartier alle Gruppen der Stadtgesellschaft anspricht. Das heißt, der Deutzer Hafen soll lebendig, gemischt und damit zukunftsfähig werden.

 

Ein gemischt genutztes Quartier auf einer Fläche von rund 37,7 Hektar. Können Sie das konkretisieren?

Ein wesentlicher Aspekt unserer Entwicklung ist die ausbalancierte Mischung aus einer Vielzahl an Wohnformen und Gewerbeflächen, ergänzt durch Dienstleistungs-, Gastronomie- und Freizeitangebote in den Erdgeschossen. Das wird das neue Veedel zum Leben erwecken. Ein 24-Stunden-Quartier sozusagen, in dem zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Bedürfnisse erfüllt werden.

 

Wie wird das Veedel angebunden sein? Werden auch alternative Mobilitätsmodelle/-konzepte in den Planungen berücksichtigt?

Wir haben im Verlauf der Planungen gemeinsam mit der Stadt Köln ein komplexes und wissenschaftlich fundiertes Mobilitätskonzept entwickeln können, das sich stadträumlich u.a. mit zu- und abfließenden Verkehren und mit der Entlastung von Verkehrsflächen befasst bzw. alternative Mobilitätsmodelle aufzeigt. Diese wiederum können später dem jeweiligen Stand von Technik und Wissenschaft angepasst werden. Zum Beispiel bündeln und vernetzen wir im Quartier den ÖPNV genauso wie die privaten Verkehre an sogenannten Mobilitätshubs. Deren Entwicklung wird von leistungsstarken Partnern im Schulterschluss mit unseren Schwesterunternehmen im Stadtwerke Köln Konzern getragen.

 

Inwieweit spielt Nachhaltigkeit insgesamt eine Rolle bei der Planung und Gestaltung des Quartiers?

Wir planen, bauen und leben den Deutzer Hafen über das gesamte Wertemodell der Nachhaltigkeit, das aus sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten besteht. Unsere Planungen werden wir auf Quartiersebene zusätzlich mit bedarfsgerechten Konzepten, u.a. zu den Themen „Smarte Mobilität“, „Digitaler Stadtraum“, „Inklusives Leben“, „Urban Mining“ oder aber auch mit Konzepten zu kulturellen Nutzungen ergänzen. Der Nachhaltigkeitsgedanke zieht sich also wie ein roter Faden durch die gesamte Entwicklung. Damit haben wir heute schon vieles erreicht.

 

Ihre Planungen wurden beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen zertifiziert.

Genau. Basierend auf einem Erfüllungsgrad von fast 85 Prozent in über 30 Kriterien der Nachhaltigkeit hat das Quartier ein Vorzertifikat der Spitzenkategorie PLATIN erhalten. Unter den fünf Hauptkriterien, deren Erfüllung für das Zertifikat notwendig ist, hat der Deutzer Hafen vor allem in den Disziplinen „Soziokulturelle und Funktionale Qualität“, „Ökologische Qualität“ sowie „Prozessqualität“ überdurchschnittlich abgeschnitten. Darauf bin ich besonders stolz und fühle mich bestätigt, dass wir ein lebendiges, soziales und nachhaltiges Quartier schaffen werden, das von seiner außergewöhnlichen Lage am Wasser profitiert. Diese Auszeichnung ist gleichzeitig Versprechen und Verpflichtung gegenüber den Kölner Bürgerinnen und Bürgern.

 

Wie weit sind die Planungen vorangeschritten?

Die Ergebnisse der Planungsphase, die moderne stadt in engem Schulterschluss mit der Stadt Köln und unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger abschließen konnte, sind in dem vom Rat der Stadt Köln beschlossenen „Integrierten Plan“ niedergeschrieben. Bis zum Auslaufen der Miet- und Pachtverträge Ende 2020 beziehungsweise bis zur vollständigen Räumung des Areals betreiben wir Untersuchungen an Erdreich und Boden und sichern beispielsweise den leer gezogenen Gebäudebestand. Außerdem bereiten wir die Vergabe der ersten beiden Bauflächen vor. Dabei handelt es sich um den roten und den weißen Gebäudekomplex der denkmalgeschützten „Aurora“-Mühlen, die die industrielle Geschichte des Hafens schreiben.

 

Wie erfolgt die Flächenvergabe?

Jedes Baufeld wird in einem komplexen, auf die jeweilige Fläche angepassten Vergabeverfahren veräußert, der sogenannten Konzeptvergabe. Im Rahmen des Verfahrens werden sich Investoren mit ausgereiften Planungskonzepten um die Flächen bewerben. Ein unabhängiges Fachgremium aus unterschiedlichen Disziplinen bewertet die Konzepte im Sinne der oben beschriebenen Entwicklung.

 

Inwieweit hat die Coronakrise Auswirkungen auf den Projektstatus?

Viele Akteure in der gewerblichen Projektentwicklung beobachten den Markt und warten die Einflüsse von Corona ab. Prognosen sind zurzeit nicht wirklich möglich, da es kein mittel- und langfristig belastbares Datenmaterial gibt. Auswirkungen werden erst in 2021 sichtbar. Teilmärkte der gewerblichen Projektentwicklung wie z. B. Geschäftshäuser in Innenstadtlagen und Hotelimmobilien sind natürlich stärker betroffen als zum Beispiel Büromärkte. Die Wohnungsmärkte sind von Corona nicht erkennbar beeinflusst worden. Auf unsere Projekte hatte Corona bislang keine konkreten Auswirkungen, da sie vielschichtig entwickelt werden und auf mehreren Säulen stehen.

 

Viele gewerbliche Projektentwickler erleben in der jetzigen Situation, dass der Bedarf schwindet und die Finanzierung stockt. Was meinen Sie – wird die Coronakrise zur Entwicklerkrise?

Wir sehen das Ende einer langen Entwicklung, die in den 1980er Jahren mit der Aufhebung der Gemeinnützigkeit kommunaler Wohnungsunternehmen begann und den Weg für die Privatisierung freimachte. Eine vorausschauende Stadtentwicklung war so nicht mehr möglich. Anfang der 2000er Jahre glaubte man, es sei alles geregelt. In den Bauverwaltungen wurden Arbeitsplätze abgebaut, die jetzt fehlen. Dann begann das Bevölkerungswachstum in den Metropolen und löste einen mittlerweile langjährigen Nachfrageboom aus. Um dem zu begegnen, benötigen wir eine gute Balance im Zusammenspiel von öffentlichen und privaten Akteuren. Dies gilt auch für die umliegenden Regionen dieser Metropolen.

 

Sie planen im Deutzer Hafen etwa 3.000 neue Wohnungen für 6.900 Bewohnerinnen und Bewohner – auch, um dem Wohnungsmangel in der Stadt entgegenzuwirken. In vielen anderen Städten wird das trotz großer Entwicklungsvorhaben oft nicht mitgedacht. Was sind aus Ihrer Sicht Ursachen und welche Lösungen helfen?

In der Vergangenheit haben viele Städte vor allem auf die Entwicklung von Gewerbeflächen in Bestlagen gesetzt. Das sollte große Unternehmen anziehen und die Haushalte der Kommunen stärken. Umso wichtiger ist es heute, dass man eine gesunde Balance zwischen wirtschaftlichem Bedarf und den Bedürfnissen der Menschen findet. Dazu wollen wir mit unseren sozial und funktional gemischten Quartieren beitragen.

 

Als Stadtentwicklungsgesellschaft der Stadtwerke Köln GmbH und der Stadt Köln realisiert moderne Stadt seit über 50 Jahren große Stadtentwicklungsmaßnahmen in Köln. Dazu gehört auch der Rheinauhafen oder das Clouth-Quartier. Welches Ziel verfolgen Sie, wenn Sie einen neuen Stadtteil, wie etwa den Deutzer Hafen, entwickeln?

Wir möchten immer die Zukunft der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Deshalb spielt Nachhaltigkeit heute eine zentrale Rolle in der Stadtentwicklung. Bei der Entwicklung neuer Quartiere stehen dann auch Themen wie Klimawandel, Mobilitäts- und Energiewende, Urbanität und Ressourceneffizienz an oberster Stelle. So möchten wir unseren Beitrag leisten, um Stadtleben für alle zu ermöglichen.

 

Als Ausblick – was wünschen Sie sich persönlich für das neue Quartier?

Ich wünsche mir, dass der Deutzer Hafen ein gutes und lebenswertes Stück Köln wird. Mein Lieblingsort dort ist die heutige Alfred-Schütte-Allee; im Rücken liegt das Quartier und davor liegen die Poller Wiesen und der Rhein. Von dort aus hat man in der Abendsonne den schönsten Blick auf unsere Stadt. Ein wirklicher Kraftort. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen diesen Blick genießen können.

Herr Röhrig, wir danken Ihnen für das Interview.

Die Fragen stellte Jenny Filon

Zur Person

Andreas Röhrig ist Diplom-Ingenieur und Geschäftsführer von moderne stadt - Gesellschaft zur Förderung des Städtebaues und der Gemeindeentwicklung mbH. 

 


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