Die Corona-Krise lässt kaum einen Wirtschaftsbereich unberührt. Erstaunliche Entwicklungen zeigt dabei der Immobilienmarkt in Köln. Ein Markt, der für KölnBusiness ein ganz zentrales Thema ist. Entsprechend eng ist der Kontakt zur Branche, die sich jetzt zum 11. „Immobiliendialog“ traf.
Der durchschnittliche Mietpreis für Büroflächen ist in Köln im vergangenen Jahr auf 16,10 Euro gestiegen. Gestiegen, nicht gesunken. Trotz Lockdown, Geschäftsstillstand, Insolvenzen und starkem Trend zum Homeoffice. Das ist vielleicht eine der erstaunlichsten Entwicklungen auf dem Kölner Immobilienmarkt – zumindest auf den ersten Blick. Beim 11. Immobiliendialog, den das Branchen-Netzwerk Heuer Dialog jetzt erstmals rein virtuell veranstaltete, gingen die Blicke aber deutlich tiefer.
Die Vorlage für die Fachdiskussion lieferte Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die in ihrer Videobotschaft auf die 2020 beschlossene Stadtstrategie „Kölner Perspektiven 2030+“ verwies, auf Projekte wie den Deutzer Hafen und die Parkstadt Süd, und das ehrgeizige Ziel , eine „europäische Vorzeigestadt“ zu werden. Kernidee dieser Projekte ist die Integration von Wohnen und Arbeiten, Shopping und Freizeit, Nachhaltigkeit und Aufenthaltsqualität. Dass dies eines der Topthemen der Branche ist, zeigte der gesamte Immobiliendialog.
Die Krise nach dem Rekord
Vor der großen Perspektive steht aber die nüchterne Gegenwart. Und die ist – mindestens – herausfordernd. Das wurde schon im Statement von Dr. Manfred Janssen, Geschäftsführer der KölnBusiness Wirtschaftsförderung, mehr als deutlich. Um die Auswirkungen der Pandemie richtig einordnen zu können, müsse man sich die Kölner Situation kurz zuvor vergegenwärtigen. Beispiel Arbeitsmarkt: Ende 2019 gab es in der Stadt einen absoluten Beschäftigungsrekord. „Zu dieser Zeit gab es in Köln weit über 100.000 Jobs mehr als noch zehn Jahre zuvor“, berichtete Janssen. Im ersten Halbjahr 2020 folgte der Einbruch. In der Zeitarbeitsbranche gingen innerhalb weniger Monate 19 Prozent der Stellen verloren, in der Luftfahrtbranche 11,7, bei der Gebäudereinigung 10,5, in der Gastronomie 8,9 Prozent. Zwar gab es im dritten Quartal eine überraschend starke Kehrtwende, die aber vom Lockdown in Winter und Frühjahr mit Sicherheit gebremst wurde.
Stadt soll den Wandel einfach machen
Ein zweiter positiver Faktor sei vor der Pandemie gewesen, dass die Gastronomie viele vom Handel aufgegebene Flächen neu bespielt habe. Diese Kompensation fällt aktuell natürlich weitgehend weg. Dennoch zeige sich Köln im Gesamtbild in der Krise wohl auch dank seiner Branchenvielfalt „bisher ganz robust“, bilanziert Janssen – ohne dabei die schwere Situation für vielen Unternehmer*innen zu relativieren.
Damit das so bleibe, müsse die Stadt mit ihren Partner gemeinsam viel tun, sagte er mit Blick auf die Unternehmensförderung generell und speziell den Einzelhandel, der auch wegen des boomenden Online-Geschäfts in einem gewaltigen Umbruch steckt: „Wir müssen alles dafür tun, den Strukturwandel einfach zu machen. Wir wollen Ermöglicher sein!“ Eine Erleichterung werde sicher die digitale Bauakte sein, die derzeit in Vorbereitung sei und voraussichtlich im nächsten Jahr starten könne.
Herwig Lieb, Regionalmanager NRW beim Immobilienberater Colliers, sieht für die vom klassischen Handel aufgegebenen Flächen durchaus eine gute Zukunft. „Man muss nur kreativ sein.“ In einem ehemaligen Warenhaus könne durchaus im Erdgeschoss ein Restaurant, im Obergeschoss Co-Working und darüber noch ein Fitnessstudio Platz finden, sagte Lieb. Die klassische Trennung zwischen Einkaufen, Arbeiten, Wohnen und Freizeit verwische eben immer mehr. Zwar würden in manchen Bereichen, die bisher vom Handel bespielt wurden, die Mieten künftig sinken, aber genau das biete ja auch Chancen für neue Nutzungskonzepte.
Boomende Logistikbranche sucht Flächen
Ein Trend, den auch die Wirtschaftsförderer bei KölnBusiness sehen. Janssen sprach in diesem Zusammenhang von einem „Gesamterlebnis Innenstadt“, das geschaffen werden müsse. Und mit Blick auf die Gesamtstadt seien noch weitere neue Nutzungsmöglichkeiten denkbar, etwa „urban production“, also die Rückkehr der Industrie in die Stadt, die derzeit viel diskutiert wird.
Zu den großen Herausforderungen für Stadt und Wirtschaftsförderung wird der weiter wachsende E-Commerce aber nicht nur mit Blick auf den schwindenden stationären Handel gehören. „Die Logistikbranche ist aufgrund dieser Entwicklung ein absoluter Boom-Sektor, besonders hier werden Flächen knapp und wir beobachten ein Abwanderung, vor allem Richtung Ruhrgebiet, wo noch mehr Flächen verfügbar sind“, sagte Lieb.
Die Liste der Hausaufgaben ist also lang. Das Fazit des 11. Immobiliendialogs in Hinsicht auf die Stadtentwicklung ist entsprechend klar: Grenzen lösen sich auf, Konzepte entstehen völlig neu. Köln wird sich verändern.
KölnBusiness unterstützt Einzelhandel und Gastronomie in Köln mit einem breiten Serviceangebot. Mehr Informationen zu unseren Angeboten erhalten Sie auf diesen Seiten.