Nachhaltige Lieferketten mit Sustainabill

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© Ivan Bajic/Getty Images

Immer mehr Unternehmen beschäftigen sich auch aufgrund von regulatorischen Auflagen aus der Politik mit Nachhaltigkeitsthemen. Das Kölner Startup Sustainabill will ihnen unter die Arme greifen. Die Idee von Co-Gründer Klaus Wiesen ist gefragter denn je.

 

Wer ein eigenes Unternehmen gründet, der sollte mit Stress umzugehen wissen. Das war auch Klaus Wiesen klar, als er 2017 mit seinem Startup Sustainabill loslegte. Doch der Sommer 2023, der ist dann doch eine andere Hausnummer. „Es steht eine große Neuerung an“, sagt Wiesen und blickt aufgekratzt in die Kamera seines Laptops.

 

Worum es bei Sustainabill geht, das macht bereits Wiesens animierter Hintergrund im Videocall deutlich: Über eine Weltkarte spannen sich Linien, versehen mit Symbolen, die den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ähneln sollen. Das Startup will Mittelständlern helfen, ihre eigenen Lieferketten zu durchdringen.

 

Die Unternehmen sollen erkennen können, wie sie auf das Klima einwirken und auch wie groß das Risiko ist, dass sie Menschenrechte verletzen, etwa indem sie indirekt Kinderarbeit fördern. Auch Vorschläge, wie sich diese Risiken abmildern lassen, macht die Software-Lösung von Sustainabill.

 

Doch auch bei dem Startup selbst steht gerade so einiges an. Mit Wiesen einen persönlichen Termin zu finden, ist daher nur schwer möglich. Denn der 40-Jährige ist Hals über Kopf mit der vermutlich größten Veränderung der Firmengeschichte beschäftigt: dem Zusammenschluss mit der Verso GmbH. Einem Unternehmen, das sich auf die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten fokussiert hat. Zudem steigt noch ein neuer Investor ein und löst bisherige Anteilseigner ab.

 

Plattform prüft Risiken für Unternehmen

 

Um die Lösung von Sustainabill voll nutzen zu können, geben Unternehmen zuerst auf der Plattform die Daten ihrer Lieferanten ein. Dazu gehören, neben dem Namen, etwa der Ort des Hauptsitzes und die Art des Unternehmens. Anschließend prüft die Plattform automatisch, welche Risiken sich daraus ergeben. Ist ein Zulieferer etwa in einem Land beheimatet, in dem schlechte Arbeitsbedingungen oft der Fall sind, warnt das System vor möglichen Risiken.

 

Im Anschluss erfasst Sustainabill Informationen von Lieferanten, die den möglichen Risiken ausgesetzt sind. Können sie beispielsweise nachweisen, dass Nachhaltigkeitskennzahlen regelmäßig erhoben werden? Oder haben sie erforderliche Zertifikate? Daraus gewichtet die Plattform dann die konkreten Risiken – und hilft darüber hinaus auch noch bei der Dokumentation beispielsweise im Geschäftsbericht. 

 

Gesetze fordern mehr Transparenz

 

All das spielte über viele Jahre keine große Rolle in der Wirtschaftswelt. Verantwortlich waren Unternehmen in erster Linie für die eigene Produktion. Die Lieferkette bis zum Zulieferer des Zulieferers zu durchdringen und Verstöße aufzuklären war und ist aufwendig.

 

Doch eine Reihe von neuen Gesetzen erfordert genau dies. Mit Sustainabill konzentriert sich Wiesen vor allem auf das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das Unternehmen verpflichtet, die Risiken von Menschenrechtsverletzungen ausfindig zu machen und bei Verstößen zu reagieren. Bis es zu einem europäischen Lieferkettengesetz kommt, ist es nur noch eine Frage der Zeit – und es dürfte nochmal deutlich strenger werden als die deutsche Variante. Dies könnte dem Kölner Startup neue Kund*innen bescheren.

 

Pionierarbeit im Startup

 

Dabei schien Wiesen mit seiner Idee, Firmen bei all den kommenden Herausforderungen zu unterstützen, lange der Zeit etwas voraus zu sein. In seinem Masterstudium konzentrierte er sich auf Ressourcenmanagement, anschließend verschlug es ihn zum Wuppertal Institut, wo er sich mit Nachhaltigkeitsbewertungen beschäftigte, und von dort zu einem EU-Projekt, wo ihm 2017 auch die zündende Idee für sein Startup kam. Da war er 33 Jahre alt.

 

Wiesen holte zwei Informatiker mit ins Boot – seinen Zwillingsbruder Christoph und Thorsten Merten. Gemeinsam schusterten sie die erste Version ihrer Software-Lösung zusammen, nur um zu merken, dass das Interesse gering war. „Die meisten deutschen Unternehmen hatten sich trotz all der kommenden Gesetze noch überhaupt nicht um das Thema gekümmert“, sagt Wiesen. Also suchten sie jetzt Kund*innen, die Pioniere sein wollten, was schleppend anlief. Mit einem privaten Investment-Unternehmen aus Köln und einer auf Nachhaltigkeit setzenden Bank fand er zwar keine Kunden, aber zwei Geldgeber. „Die hatten zum Glück Weitsicht“, sagt Wiesen.

 

Der Beginn der Coronapandemie war der nächste große Dämpfer. In der Krisenstimmung hätten Unternehmen keine neuen Aufträge mehr vergeben, sagt Wiesen, mit noch kleinen Startups wie Sustainabill habe niemand experimentieren wollen. Geduld war gefragt. Bis zum Jahr 2021. Zwar war die Pandemie noch nicht wieder völlig abgeklungen, doch einigte sich die Politik auf das Lieferkettengesetz. Seitdem ist die Leistung des Startups so richtig gefragt.

 

Mittelständler machen sich auf den Weg

 

Und Wiesen will nun mehr. Gerade über die EU kommen viele weitere Verordnungen, etwa zur Nachhaltigkeitsberichterstattung oder gegen Entwaldung auf den Tisch, bei denen sein Startup unterstützen will. Um das leisten zu können, hat er sich mit der deutlich größeren und 2010 gegründeten Verso GmbH zusammengeschlossen. Die Firma sieht sich durch die Fusion mit Sustainabill und einem weiteren Unternehmen nun als führender europäischer Software- und Beratungsanbieter für Nachhaltigkeitsmanagement und Reporting.

 

Zusammen mit Verso hat das Unternehmen über 40 Mitarbeitende, vor allem Programmierer*innen und Nachhaltigkeitsexpert*innen sind unter ihnen. „Nehmen wir unsere Kunden zusammen, können wir bereits 200 Unternehmen unsere gemeinsame Lösung anbieten”, sagt Wiesen. Viele Mittelständler hätten sich zudem immer noch nicht auf den Weg gemacht. „Da ist noch richtig viel zu holen.“

 


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