Uwe Weiler und der neue CSD: Wie der Cologne Pride zum Großereignis wurde

Als Uwe Weiler einer der Chefs der Cologne Pride wurde, stand der CSD vor dem Aus. Doch mit einem angeborenen Gespür für die große Show verwandelte er das Pride-Event innerhalb weniger Jahre in eines der erfolgreichsten weltweit. 

 

Ins Showbusiness geboren – und geblieben

„Ich bin im beschaulichen Moers am Niederrhein geboren und aufgewachsen. Aber bürgerlich oder spießig war mein Elternhaus nicht. Mein Vater produzierte seit den 1960ern mit seiner Produktionsfirma Westside Filme für die UFA, mit Stars wie Wencke Myhre und Peter Alexander. Als ich noch klein war, sind meine Mutter und ich manchmal am Set gewesen, zum Beispiel wenn am Wörthersee gedreht wurde. Auf einem dieser Drehs entstand das Foto, auf dem ich mit Peter Alexander im Boot sitze. Dieses Showleben hat mich früh geprägt. Ich wusste schon damals: Ich will ins Showbusiness. Mit 16 nahm ich meine erste Single mit Erik Silvester auf und trat später mit meinen Schlagersongs unter anderem bei Stefan Raab in Vivavision auf. Die Musik war aber nicht mein Hauptberuf – ich hatte auch ein anderes, ein normaleres Leben zu Hause in Moers. Nach meinem Abitur Ende der 80er-Jahre begann ich eine Lehre zum Radio- und Fernsehtechniker, die ich aber bald abbrach. Stattdessen studierte ich Tontechnik, sehr zum Missfallen meines Vaters. Nebenbei arbeitete ich beim Radio.“

 

Das Leben auf Tour – vom Jetset und dem Produzentenleben

„Bei Radio Kreis Wesel bekam ich eines Tages den Auftrag, Straßenmusikerinnen und Straßenmusiker zu interviewen. Zwei von ihnen stellten sich als Jimmy und Patrick Kelly vor. Wir verstanden uns super, und sie luden mich auf ihr Hausboot in Köln ein. Ein Jahr später riefen sie mich an: Die Kelly Family suchte Unterstützung für das Management ihrer Plattenfirma. Ich sagte zu – kurz nach einem großen Konzert in der Grugahalle in Essen Anfang der 1990er. Ab da spielten wir fast nur noch Stadionkonzerte und reisten ständig – für zwei Konzerte sogar nach China. Es war eine turbulente Zeit. Wenn ich nach einer Tour nach Hause kam, fiel ich oft in ein Loch. Das wurde noch stärker, als sich die Kelly Family 1998 auflöste. Ich hätte als Tontechniker weiterarbeiten können, wollte aber nur Musik machen, die mir gefiel. 1999 übernahm ich mit meinem besten Freund die Produktionsfirma meines Vaters, machte mich selbstständig. In dieser Zeit betreuten wir unter anderem die Eurodance-Gruppe Fresh Caramel mit Annemarie Carpendale und tourten mit DJ Bobo. Heute produziere ich nicht mehr hauptberuflich, unterstütze aber weiterhin Newcomer.“

 

Von Moers nach Köln und auf den CSD

„Durch eine Anfrage für Fresh Caramel kam ich in Kontakt mit dem CSD Köln. Obwohl ich geoutet war, kannte ich die Szene kaum. Die Atmosphäre hat mich sofort begeistert. Der CSD kämpfte für Akzeptanz, und das wollte ich unterstützen. Jährlich vermittelten wir Künstlerinnen und Künstler, und ich wurde Mitglied bei Cologne Pride, dem Verein hinter dem CSD. Bis 2012 trat ich dort auch selbst auf.

Nach Köln zog ich spät – zunächst lebte ich in Moers, weil Westside in Düsseldorf saß. Irgendwann bot mir der Wirt des Excorner in der Schaafenstraße die Wohnung über der Kneipe an – ich zog mitten in die Szene und lebte dort sechs Jahre. Gleichzeitig lernte ich über meine Schlager-Auftritte einen WDR-Redakteur kennen, der mir einen Job bei WDR4 verschaffte. Ich organisierte zusammen mit anderen den ersten WDR4-Wagen beim CSD – mit Stars wie Heino. Dass sie dabei waren, fand ich unglaublich cool.“

 

Das Aus von Cologne Pride? Gerade so noch abgewendet

„Nach meinem kurzen Abstecher beim WDR arbeitete ich als Projektmanager für Zahlungssysteme. Gleichzeitig engagierte ich mich zunehmend bei Cologne Pride. 2017 stand der Verein vor der Pleite. Mit einigen langjährigen Mitgliedern stellten wir einen neuen Vorstand auf, einigten uns mit Gläubigern, reduzierten Kosten durch Dienstleisterwechsel – und waren nach einem Jahr wieder in den schwarzen Zahlen. Nach drei Jahren wurde die ehrenamtliche Arbeit zu viel. Wir beschlossen, mich als festen Geschäftsführer einzusetzen. Seitdem mache ich das hauptberuflich – und das unglaublich gerne!“

 

Von einer Demonstration zum Millionen-Event und Medienrummel

„In den folgenden Jahren wuchs der CSD enorm – so auch die Kosten. Als Verein kann der Cologne Pride e. V. Künstler*innen keine normalen Gagen zahlen – eine Herausforderung, die ich früher als Vermittler kannte und heute als Veranstalter erlebe. Gute Acts zu finden ist schwer, weil die Managements oft blockieren. Letztes Jahr hatten wir direkten Kontakt zu Bill und Tom von Tokio Hotel, das half. Ich frage regelmäßig bei Kylie Minogue an – vielleicht klappt es irgendwann.“

 

Zwischen Kommerz, Aktivismus und Party 

„Viele sagen: Der CSD ist nur noch Kommerz und Party. Das ist aber auch wichtig! Pride heißt, Erfolge feiern zu können. Die Ehe für alle oder die Blutspende für schwule Männer waren vor ein paar Jahren noch nicht selbstverständlich. Wenn über eine Million Menschen in Köln auf die Straße gehen, ist das ein starkes politisches Signal. Wir schaffen es nur so in Medien wie die Tagesschau. Letztes Jahr hat Tokio Hotel sogar eine Folge ihrer Netflix-Serie bei uns gedreht.“

 

Raus aus der Blase

„In Köln lebt man in einer Blase der Akzeptanz, besonders als Aktivist. Manchmal fühlt es sich an, als würden wir in eine Echokammer schreien. Ich will aber vor allem Menschen erreichen, die uns skeptisch gegenüberstehen. Deshalb sage ich jedem, ob er es hören will oder nicht: Ich bin schwul. Offenheit schützt. Doch außerhalb dieser Blase sieht es oft anders aus. Der CSD richtet sich auch an die heteronormative Gesellschaft.

Aktuell haben wir eine Partnerschaft mit dem 1. FC Köln. Für mich gehören große Unternehmen wie Vodafone oder Telekom zum CSD – nicht als Sponsoren, sondern durch ihre queeren Mitarbeiter*innen, die Diversität leben. Die meisten Demo-Trucks werden von deren Netzwerken angemeldet, nicht von den Unternehmen selbst. Firmen, die aktiv gegen queere Rechte handeln, lehnen wir ab. Ab einem gewissen Punkt muss ich klar sagen: Wenn die Werte nicht passen, geht es nicht.“

 

Politisch geblieben, lebensverändernd

„Dieses Jahr wollten wir vor der Bundestagswahl ein einheitliches Motto für alle CSDs. Doch mit der Vorziehung der Wahl fiel der Plan ins Wasser. Stattdessen riefen wir am 15. Februar spontan zu zentralen Demos in ganz Deutschland auf – das gab’s noch nie. Noch nie war die CSD-Bewegung so geeint, und darauf bin ich stolz. Wir sehen uns als Plattform für die Community – die Inhalte liefern Aidshilfe, Jugendzentren und andere Beteiligte. Wir sorgen für Sicherheit, Struktur und Sichtbarkeit in den Medien.

Jedes Jahr berührt mich der CSD zutiefst. Am Sonntagabend stehe ich jedes Jahr vor der Bühne und weine – weil wir mit einem kleinen Team und vielen Ehrenamtlichen so etwas Großes schaffen. Was für manche nur eine Show ist, gibt anderen den Mut, sich zu outen. Besonders in kleinen Städten ist der CSD oft lebensverändernd.“

 


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