Der globale Rohstoffverbrauch hat sich in den vergangenen 50 Jahren mehr als verdreifacht – und er wird weiter steigen. Für Unternehmen heißt das: Rohstoffe werden knapp, die Verantwortung wächst. Eine Lösung liegt in der Kreislaufwirtschaft. Wissenschaftler*innen der TH Köln zeigen, wie das geht – auf der Deponie Leppe in Lindlar-Remshagen. Dort erforschen sie, wie aus Abfall neue Rohstoffe entstehen können und wie Unternehmen gemeinsam mit der Wissenschaft zirkuläre Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln und erfolgreich umsetzen. Prof. Dr. Kathrin Hesse und Prof. Dr. Christian Wolf berichten im Interview, wie die Kreislaufwirtschaft in der Region Realität wird.
Die Menschheit verbraucht mehr Ressourcen, als die Erde erneuern kann. Das ist ein ökologisches Problem – aber es stellt auch Unternehmen vor große Herausforderungen, wenn wichtige Rohstoffe knapp werden. Wie kann die Kreislaufwirtschaft hier helfen?
Kathrin Hesse: Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist ein System, das darauf abzielt, den Ressourcenverbrauch in allen Bereichen zu minimieren. Das gelingt nur, wenn man den Verbrauch verlangsamt und stärker in geschlossenen Kreisläufen denkt. Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft beginnt beim Design: Schon in der Entwicklungsphase sollten Unternehmen überlegen, ihre Produkte so zu konzipieren, dass sie möglichst langlebig sind und repariert werden können.
Christian Wolf: Laut dem Report „Global Resources Outlook 2024“ ist die Ressourcennutzung weltweit seit dem Jahr 1970 von 30 Milliarden auf 106,6 Milliarden Tonnen jährlich angestiegen. Im Jahr 2060 könnten es 167 Milliarden Tonnen sein. Das macht deutlich, dass wir vor einer gewaltigen Herausforderung stehen und dringend handeln müssen, denn irgendwann sind die Ressourcen erschöpft. Kreislaufwirtschaft ist aber nicht automatisch nachhaltig. Wenn Unternehmen, die Kunststoffe recyceln, das Material dafür über weite Strecken transportieren oder sogar importieren, entstehen hohe Emissionen – ein Widerspruch zur Nachhaltigkeit. Es gilt also auch, regionale Lösungen zu finden.
Das Lehr- und Forschungszentrum :metabolon der TH Köln hat sich auf nachhaltige Abfallwirtschaft spezialisiert. Wie trägt das zum Ausbau der Kreislaufwirtschaft in der Region bei?
Wolf: In der Forschung konzentrieren wir uns auf die Frage, wie sich Abfallprodukte optimal recyceln und wiederverwerten lassen – von der Entwicklung neuer technischer Prozesse bis hin zur Erprobung im großtechnischen Maßstab. Für Versuche steht uns die Deponie Leppe in Lindlar-Remshagen zur Verfügung. In der Lehre setzen wir auf ein praxisnahes Konzept und lassen unsere Studierenden wortwörtlich im Müll wühlen. Sie analysieren reale Abfälle, um die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft hautnah zu erleben. So entstehen konkrete Umsetzungsideen für eine zirkuläre Kreislaufwirtschaft vor Ort. Diese Ideen wiederum geben vielen produzierenden Unternehmen einen wichtigen Anstoß.
Circular Economy in Köln: Wissenschaft trifft Praxis
Woran arbeiten Sie auf der Deponie Leppe aktuell?
Wolf: Im Projekt „ERA3“ erforschen wir, wie Mikroalgen dabei helfen können, Deponiesickerwasser zu reinigen – es ist oft stark belastet, insbesondere mit Stickstoff, Kohlenstoff und teilweise mit Schwermetallen. Deponiebetreiber müssen es aufwendig reinigen, was mit hohen Kosten verbunden ist. Eher zufällig hat man entdeckt, dass in den Speicherbecken vieler Deponien Mikroalgen wachsen, die Schadstoffe – insbesondere Stickstoff – aus dem Wasser aufnehmen. Daraus entstand die Idee, Mikroalgen gezielt zur Reinigung des Sickerwassers einzusetzen. Das testen wir in einer Pilotanlage mit dem Ziel, dieses Verfahren künftig im großen Maßstab zu nutzen.
Wie binden Sie Unternehmen aus der Region in Ihre Forschung ein?
Wolf: Ein spannendes aktuelles Projekt widmet sich der Nutzung von Müllverbrennungsasche für die Betonherstellung. Daran beteiligt sind Unternehmen aus der Baustoff- und der Entsorgungsindustrie aus Overath, Leverkusen und Düren. Gemeinsam ist es gelungen, einen Beton zu entwickeln, in dem Asche aus Haushaltsmüll verarbeitet wird. Das Verfahren ist vielversprechend, denn es ermöglicht, die knapper und teurer werdende Ressource Kies und Sand durch ein Material zu ersetzen, das sonst ungenutzt bleibt. Bauunternehmen erschließen so eine neue, nachhaltige Rohstoffquelle. Wir kooperieren auch bei anderen Projekten mit zahlreichen Unternehmen aus dem Umland. Diese Partnerschaften sind für beide Seiten enorm wertvoll und bringen praxisnahe Lösungen hervor.
Hesse: Auch kommunale Unternehmen in Köln binden wir in die forschende Lehre ein, etwa AVG und AWB, die Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft und die Abfallwirtschaftsbetriebe. Dadurch bekommen die Studierenden einen direkten Einblick in die Praxis der Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Ein schönes Beispiel: Die AWB verarbeitet Bioabfall, den sie in Köln einsammelt, seit 2019 in einer Vergärungsanlage der AVG in Köln-Niehl zu Biogas. Damit wiederum betreibt die AWB ihre gasbetriebenen Abfallsammelfahrzeuge – sie nutzt also die wiederverwertete Bananenschale, um die nächste Bananenschale einzusammeln. Der Entsorgungsbetrieb von gestern ist somit der Rohstofflieferant von morgen.
Recycling-Innovationen aus der Region: Von Algen bis Beton
Wie können Unternehmen erste Schritte in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen, ohne direkt hohe Investitionen tätigen zu müssen?
Wolf: Es gibt Maßnahmen, die wenig kosten und dennoch einen großen Effekt haben. Ein gutes Beispiel kommt von einem Unternehmen aus dem Oberbergischen Kreis. Es hat den Anteil an recyceltem Kunststoff in seinen Produkten erhöht. Da das Unternehmen Kunststoffe selbst recycelt und bereits über einen internen Kreislauf verfügte, war der Aufwand minimal. Schon eine kleine Erhöhung des Recyclinganteils hat spürbar Kosten gesenkt.
Können wir irgendwann komplett ohne Müll leben?
Hesse: Abfall ist untrennbar mit unserem Konsum verbunden, aber wenn wir unsere Kaufentscheidungen bewusster treffen, können wir die Menge an Abfällen deutlich reduzieren.
Wolf: Gleichzeitig müssen wir den produzierenden Unternehmen aufzeigen, dass sich Investitionen in die Kreislaufwirtschaft lohnen. Genau das wollen wir auch mit unserem Forschungszentrum :metabolon erreichen – wir möchten zeigen: Es gibt großartige Lösungen, wir können viel bewirken, wir müssen es nur anpacken.
Förderprogramm Circular Innovations
Worum geht es?
Damit Köln klimagerecht wachsen kann, werden neue Geschäftsmodelle und innovative Ideen gebraucht. KölnBusiness begleitet Unternehmen mit dem Förderprogramm „Der Kölner Rahmen 2025“ auf ihrem Weg zur Klimaneutralität. Die Förderlinie „Circular Innovations“ ist speziell auf Unternehmen zugeschnitten, die zu einer ressourceneffizienten, zirkulären Wirtschaft beitragen.
Was wird gefördert?
Projekte von Unternehmen, die den Übergang zu einer kreislauffähigen Wirtschaft unterstützen: von ressourcenschonenden Herstellungsverfahren und Produktdesigns über Reparaturangebote bis hin zum Upcycling oder Recycling von Produkten und Materialien.
Wie wird gefördert?
Die KölnBusiness-Förderlinie „Kölner Rahmen Circular Innovations“ unterstützt Investitionen in nachhaltige und innovative Vorhaben. Das Programm fördert jährlich fünf Projekte mit je bis zu 10.000 Euro.
Sie haben Fragen oder wollen wissen, ob Ihr Projekt förderfähig ist?
:metabolon-Projekte
Forschungszentrum für Kreislaufwirtschaft in Köln
Das Institut :metabolon der TH Köln arbeitet mit Partnern aus der Industrie daran, Rest- und Abfallstoffe in wertvolle neue Ressourcen umzuwandeln. So können Unternehmen effizienter mit Rohstoffen umgehen und Teil einer zirkulären, regionalen Wertschöpfungskette werden.
Ihre Ideen sind gefragt
Unternehmen, die neue technologische Ansätze entwickeln oder Prozesse und Verfahren optimieren wollen, können sich mit ihren Ideen und Kooperationsanfragen an das Circular Transformation Lab und an die Forschungsförderung der TH Köln wenden.