„Die Industrie gehört in die Stadt“

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Dr. Martin Schönheit von Dr. Schönheit + Partner weiß wie urbane Industrie gelingen kann.
© Dr. Schönheit + Partner

Was braucht es, damit urbane Industrie gelingt? Einer, der es weiß, ist Dr. Martin Schönheit. Mit seinem Planungsbüro Dr. Schönheit + Partner hat er die Steinert GmbH und bordbar bei ihren Projekten begleitet – und treibt in Köln neue Ideen für die Industrie von morgen voran.

 

Herr Dr. Schönheit, Sie sprechen sich dafür aus, Industriebetriebe in der Stadt zu halten. Warum?

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Arbeit zu den Menschen bringen müssen – und nicht umgekehrt. Die Nähe von Wohnen und Arbeit spart nicht nur Pendelzeit, sondern leistet auch einen ökologischen Beitrag. Wertvolle Zeit, die Menschen für ihre Freizeitgestaltung nutzen können – Stichwort Work-Life-Balance. Für Unternehmen wiederum zählen die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte und der Zugang zur Innovationskraft der Universitäten im Kölner Raum zu den entscheidenden Standortvorteilen.

 

In der Stadt ist es eng, ein Industriebetrieb als Nachbar nicht unbedingt gefragt. 

Das mag daran liegen, dass oft ein veraltetes Bild von Industrie in den Köpfen verankert ist. Dabei geht es hier nicht um Schwerindustrie, sondern um die Produktion und Montage von innovativen Produkten mit Entwicklungskompetenz. Aus meiner Sicht ist der entscheidende Erfolgsfaktor, die Nachbarschaft in der Umgebung von Industriebauten proaktiv zu informieren und einzubeziehen. So lässt sich das Verständnis für die moderne Industrie in ihrer Rolle als Arbeitgeber, ökologischer Partner und Serviceanbieter fördern.

Manche Unternehmen liefern etwa saubere Energie oder Warmwasser aus eigener Produktion in die Nachbarschaft, andere öffnen ihre Flächen, Kantinen, Cafés oder Parkmöglichkeiten. Letztlich geht es darum, die Industrie wieder als Partner zu begreifen und nicht den Konflikt „Wohnraum gegen Industrie“ aufzuschaukeln. Und: Firmen im urbanen Raum zu halten ist auch ökologisch sinnvoll. 

 

Woran machen Sie das fest?

Köln hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden. Die Industrie liefert durch einen optimalen ökologischen Fußabdruck bereits einen großen Beitrag. Denn moderne Industriebauten werden heutzutage hohen ökologischen Standards gerecht und können innerhalb der Stadt bequem mit dem ÖPNV erreicht werden. Schon das reduziert Emissionen. Bei einem neuen Industriegebiet irgendwo außerhalb der Stadt müssten hingegen viel mehr Menschen mit dem Auto fahren. Gleiches gilt für Produkte: Werden sie dort produziert, wo sie gebraucht werden – also in der Stadt –, entfallen viele Transportwege zum Endkunden.

 

„Wir müssen die Arbeit zu den Menschen bringen – und nicht umgekehrt.“ – Dr. Martin Schönheit

 

Aber der Platz in der Stadt ist knapp.

Genau. Daher muss er besser genutzt werden. Zum Beispiel schaffen mehrgeschossige Gebäudestrukturen auf kleiner Grundfläche mehr Raum für Arbeitsplätze. Das haben wir in einem Konzept für das Industriegebiet Longerich nachweisen dürfen – ein Campus, der zu 80 Prozent von Handwerksunternehmen und moderner Kleinindustrie genutzt wird. Der Rest ist Wohngebiet. Mehr attraktive Arbeitsplätze liegen gleichermaßen im Interesse der Stadt und der Bevölkerung.

Es gibt eine ganze Reihe von Gebäuden – etwa zentrale Kaufhäuser zu 100 Prozent oder Versicherungs- und Bankengebäude zu mindestens 30 Prozent –, bei denen Flächen ungenutzt sind. Warum nicht solche Objekte für Handwerksbetriebe, kleine und mittlere Unternehmen oder Startups mit Produktion, Labor oder Montage umnutzen? Nach unserer Beobachtung gibt es durchaus genug Fläche – sie muss nur anders gedacht werden.

 

Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit das künftig häufiger gelingt?

Es braucht einen strategischen Rahmen, der Industrie, Stadtentwicklung, Nachhaltigkeit und Mobilität zusammendenkt. Köln hat mit dem gesamtstädtischen Entwicklungskonzept „Kölner Perspektiven 2030+“ bereits einen wichtigen Schritt gemacht. Jetzt gilt es, diese Ziele auf die Bedürfnisse der Industrie zu übertragen – etwa mit Konzepten wie „Urban Production“. Zudem gilt: Wenn der Plan steht, müssen Taten folgen. Hier sind alle Player gemeinsam gefragt.

 

Haben Sie ein Beispiel dafür, wie urbane Industrie künftig aussehen kann?

Ein gutes Beispiel ist das Projekt „FUSION COLOGNE“ – mit 55 Hektar die größte zusammenhängende Industrieentwicklungsfläche im Kölner Stadtgebiet, an deren Gestaltung wir mitwirken durften. Im Kölner Norden entstehen dort mehrgeschossige Industrie- und Logistikbauten, die maximale Flächeneffizienz ermöglichen. Solche Lösungen zeigen, wie urbane Industrie auch künftig bestehen kann – ohne zusätzlichen Flächenverbrauch, aber mit echter Zukunftsperspektive für Industrieansiedlung. Und zwar in einem städtisch ausgebildeten Campus, der alle erforderlichen Dienstleistungen bündelt – von Verkehrsanbindungen über Rheinhafen, Schiene und Straße bis hin zu digitaler, energetischer und ökologischer Infrastruktur. Darauf kann Köln stolz sein.

 

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