Standortentwicklung statt Standortwechsel: Wie Kölner Unternehmen wachsen

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Peter Funke, Geschäftsführer der Steinert GmbH, vor dem neuen Unternehmensgebäude in Köln.
© Ricardo Wiesinger

In Köln ist Fläche knapp, und trotzdem wachsen Unternehmen. Zwei bleiben, bauen um und investieren in die Zukunft. Sie festigen ihre Wurzeln – mitten in der Stadt.

Wenn Peter Funke über das Werksgelände der Steinert GmbH zu seinem Büro geht, muss er zuerst an einigen gedrungenen Gebäuden vorbei. Die Fassade ist gelb gestrichen, die grauen Flachdächer sind alles andere als ein Blickfang. Erst wenn Funke einige Meter weiter leicht nach links abbiegt, erfreut sich sein Auge. Denn dort, etwas versteckt hinter einem weiteren Gebäude, erhebt sich eine nagelneue Halle, ein MFG, wie Fachleute es nennen, ein Multifunktionsgebäude, drei Stockwerke hoch. Unten befinden sich Lager und Produktion, darüber ein paar Großraumbüros für den Vertrieb, inklusive Telefonboxen für ungestörte Gespräche. Ein Aufenthaltsraum mit Küche befindet sich im ersten Stock. Von hier aus lässt sich durch ein großes Fenster in die Produktionshalle schauen. Es gibt eine Dachterrasse mit Blick auf das Müngersdorfer Stadion in die eine und auf den Kölner Dom in die andere Richtung. Die Fotovoltaikanlage auf dem Dach sorgt für Nachhaltigkeit. Zusammengefasst: Es gibt alles, was ein modernes Betriebsgebäude haben sollte.

 

VON KÖLN AUS IN DIE GANZE WELT

Peter Funke, 58 Jahre alt, groß gewachsen, eine blaue Brille auf der Nase, brauner Pullover, blaues Hemd, ist Geschäftsführer der Steinert GmbH. Das Unternehmen baut in der Widdersdorfer Straße, im Grenzgebiet der Stadtteile Ehrenfeld und Lindenthal, hoch spezialisierte Maschinen für die Rohstoffsortierung – Anlagen, mit denen sich Materialien präzise voneinander trennen lassen, etwa Metalle, Kunststoffabfälle oder Glas. Seit 2002 gehört auch Steinert Australia zum Unternehmen. Am anderen Ende der Welt baut die Tochtergesellschaft leistungsstarke Magneten, die Eisen direkt vom Förderband filtern. In einigen Bereichen ist die Firma aus Köln Marktführer. „98 Prozent allen Eisens, das Australien verlässt, haben einen Steinert-Magneten gesehen“, sagt Funke stolz. Steinert liefert seine Produkte von Köln aus quer über den Globus. Neben der Produktionsstätte in Australien gibt es Büros in den USA und in Brasilien. 

In den alten Produktionshallen fertigen die Mitarbeiter*innen täglich neue Maschinen. Bis zu 40 Lkw fahren Tag für Tag ein und aus. Denn Platz zum Lagern hat Funke nicht. Alles, was fertig ist, wird nach Krefeld geschafft und dort für den globalen Versand verpackt. „Vereinigte Hüttenwerke“ nennt Funke die älteren Fertigungsgebäude – ein nicht ganz ernst gemeinter Spitzname, der an die Industriearchitektur vergangener Jahrzehnte erinnert. Ganz anders das neue MFG: Es steht für den Aufbruch, den Funke mit seinem „Masterplan 2025“ verfolgt.

Denn Steinert wächst rasant – und mit dem Wachstum steigt der Bedarf an neuen Produktionskapazitäten. Der Umsatz lag 2024 bei 200 Millionen Euro. Insgesamt hat das Unternehmen nun 550 Mitarbeiter*innen, 340 davon in Köln und Pulheim, wo 2020 ein Test- und Entwicklungscenter für seine Maschinen entstand. Zum Vergleich: 2016, als Funke anfing, waren es nur 110 Mitarbeiter*innen am Standort. Doch alles neu zu gestalten ist eine Mammutaufgabe, erst recht in einer Stadt wie Köln. Denn der Platz ist begrenzt. Es braucht Kreativität, Mut und Geduld. Wie es gehen kann, zeigt eine Reihe von Unternehmen in Köln, und auch Funke hat einen Plan.

 

Flächenbedarf von KMU in Köln: Herausforderung und Lösungsansätze

 

An der Widdersdorfer Straße bei Steinert soll kaum ein Stein auf dem anderen bleiben. Das Vorhaben auf dem 35.000 Quadratmeter großen Betriebsgelände ist ambitioniert und komplex. Die eine, ursprüngliche Hälfte ist als Industriegebiet ausgewiesen – dort befinden sich aktuell alle Gebäude der Firma. Die andere Hälfte, die erst vor wenigen Jahren zugekauft wurde, ist planungsrechtlich anders eingestuft: zum Teil als Gewerbegebiet, zum Teil als Fläche für Bahnanlagen.

Aktuell fungiert sie als Parkplatz für die Mitarbeiter*innen. Eine weitere Produktionshalle darf die Steinert GmbH hier nicht errichten – das lässt der geltende Bebauungsplan nicht zu. Also muss Peter Funke „umtopfen“, wie er es nennt. Und um das Ganze noch anspruchsvoller zu machen, durchtrennt beide Bereiche des Betriebsgeländes eine Bahntrasse. 

 

Doch davon lässt sich Funke nicht aufhalten. Das Multifunktionsgebäude steht bereits, auch die Brücke ist gebaut, die vom MFG über die Bahntrasse führt und beide Seiten verbindet. Noch führt sie ins Leere. Eine provisorische Treppe verläuft von dort aus zu einem Parkplatz. „Bei der Vorbereitung des Bauantrags und den Abstimmungen mit den städtischen Fachämtern hat uns KölnBusiness sehr pragmatisch unterstützt“, sagt Funke. „Wir sind froh, das Team auch bei den nächsten Schritten an unserer Seite zu haben – das ist in einer Stadt wie Köln enorm wertvoll.“ Ist der Bauantrag durch, beginnt das Umtopfen. 

Zuerst wird auf der neuen Fläche ein Verwaltungsgebäude gebaut. Danach folgt ein Parkhaus östlich der Trasse. Anschließend werden die „Hüttenwerke“ abgerissen und durch neue Gebäude ersetzt. Alles Schritt für Schritt. Denn die Produktion ausfallen zu lassen und alles auf einmal zu bauen, kann sich kaum eine Firma leisten.

 

DIE STADT ZU VERLASSEN IST KEINE OPTION

Betriebsgelände klug planen, neue Grundstücke finden, Bauanträge stellen, warten und dann möglichst effizient bauen: Mit diesen Herausforderungen müssen sich viele Firmen in großen, vollen Städten wie Köln beschäftigen, wenn sie wachsen wollen. Es mangelt häufig an Platz. Und den Hauptsitz an einen Standort viele Kilometer weit weg zu verlegen, kommt für viele nicht infrage. Was hilft, ist eine vorausschauende Planung. Die Firma Steinert hat für ihr Vorhaben mit dem Kölner Planungs- und Beratungsbüro Dr. Schönheit + Partner zusammengearbeitet.

 

Was urbane Industrie möglich macht – Stadtplaner Dr. Martin Schönheit im Interview über neue Lösungen für Köln → [Jetzt Interview lesen]

 

Urbane Gewerbeentwicklung in Köln: Neue Wege für den Mittelstand

 

Gemeinsam wurde ein Plan entwickelt, wie sich das Gelände effizient neu gestalten lässt. Das Architekturmodell steht zwei Räume von Funkes Büro entfernt auf einem halbhohen Aktenschrank. Farblich markiert ist, welche Hallen abgerissen werden, was neu hinzukommt und was lediglich angepasst wird. Aktuell ist das alles schon nicht mehr, dieser erste Masterplan stammt aus dem Jahr 2013. Zu schnell ist die Firma gewachsen, entsprechend musste das Modell angepasst werden. „Wir haben damals mit 75 Millionen Euro Umsatz gerechnet, nicht mit 200 Millionen“, sagt Funke. Das neue Modell gibt es derzeit nur digital. „Das Wichtigste ist aber, eine solche Planung überhaupt zu machen“, davon ist der Geschäftsführer überzeugt. „Wir investieren in den kommenden Jahren 20 Millionen Euro in den Kölner Standort.“ 

 

BORDBAR – MUT ZUM RISIKO 

Peter Funke ist mit seinem Umbauprojekt mitten im Prozess. Andere Unternehmer*innen sind diesen Weg bereits gegangen – einer von ihnen ist Stephan Boltz, Gründer von bordbar. Auch er musste sich der Frage stellen, wie Wachstum gelingen kann, wenn der Platz knapp wird.

Seine Firma stellt aus Flugzeugtrolleys Designermöbel her – etwa mobile „Working Stations“ für Ordner und Laptops oder rollbare Minibars. Als bordbar vor einigen Jahren aus allen Nähten platzte, war klar: Es braucht mehr Raum. Die Produktionskapazitäten sollten verdoppelt werden. Zudem war Boltz auf einem Industriegebiet in Ossendorf nur Mieter und wollte ein eigenes Grundstück mit eigener Halle in der Stadt kaufen, in der er seine Firma 2006 gegründet hatte. 

 

Das ist sechs Jahre her. Heute sitzt Boltz auf der Daimlerstraße, in einem Industriegebiet in Lövenich. Die 2.700 Quadratmeter große Fläche hat er 2019 mit Unterstützung von KölnBusiness von der Stadt Köln erworben. Der Neubau – von außen sieht die bordbar MANUFAKTUR wie ein großer Quader aus, gehalten in schlichtem Schwarz – soll exemplarisch für das stehen, was bordbar fertigt: Designprodukte. Innen trennt eine Glaswand die Produktionsräumlichkeiten von der Verwaltung. Mit dem Bau hat Boltz sich gleich mehrere Ziele auf einmal erfüllt.

Die Produktions- und Logistikkapazitäten konnte er wie gewünscht ausbauen. Aus ursprünglich 98 Quadratmetern wurden 1.400. Gleichzeitig hat Boltz den CO₂-Fußabdruck seiner Firma deutlich reduziert. Rund 70 Prozent des Wärme- und Kältebedarfs deckt das neue Gebäude bereits mit erneuerbaren Energien – zum Beispiel durch Wärmepumpen. Künftig soll eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach den Rest übernehmen. 

 

INVESTIEREN IN UNSICHEREN ZEITEN

Doch Boltz, und das ist das Schicksal eines Unternehmers, kann sich nicht völlig entspannt zurücklehnen. Im Gegenteil: Der Geschäftsführer ist ziemlich im Stress. Denn zum einen ist die wirtschaftliche Lage in der Möbelindustrie gerade angespannt. Es wird weniger gebaut, und somit muss auch weniger eingerichtet werden. Zum anderen stehen zwei große, wichtige Möbelmessen vor der Tür: der Salone del Mobile in Mailand und High Point Market in North Carolina in den USA. Boltz hat es viele Jahre gekostet, bei beiden Messen ausstellen zu dürfen. Daher soll alles perfekt laufen. Ein Container mit seinen Möbeln ist bereits auf dem Weg über den Pazifik. 

 

Auch beim Bau des neuen Unternehmenssitzes lief nicht alles glatt. Die Baukosten stiegen über die Zeit an, auch weil alles länger dauerte als geplant. Die höheren Kosten wieder reinzuholen könnte dauern. „Hätten wir zu dem Zeitpunkt nicht schon so viel investiert, hätte ich das Bauprojekt abgesagt“, sagt Boltz ehrlich. „Weil bordbar aber in Köln gegründet wurde, wollte ich es als Kölner Unternehmer mit meinem bestehenden Team weiterführen.“

Es ist ein Satz, der zeigt, wie viel Überzeugung hinter der Standortentscheidung steckt. Denn durchgezogen hat Boltz es trotzdem. „Wir haben ein schönes, energetisches Gebäude, das viele Jahre den Standards entsprechen wird“, sagt er. „Meinen Kindern habe ich damit auch schon etwas hinterlassen“. Er ist sich sicher: Sobald es in der Industrie wieder besser läuft, ist bordbar gut aufgestellt. „Es kam für mich nie infrage, mit meinem Unternehmen woanders hinzuziehen“, sagt Boltz. Zum einen ist er mit der Lage in Lövenich höchst zufrieden, „zum anderen sind wir nun mal ein Kölner Unternehmen“.

 

Standortwahl in Köln: Zwischen Platzmangel und Standortbindung

Die Anziehungskraft der Stadt hält auch Peter Funke und die Steinert GmbH am Standort Köln. Gedanken, das Unternehmen nach Euskirchen zu verlagern, verwarf die Eigentümerfamilie schon vor 20 Jahren: Zu viele Fachkräfte hätte man damit verloren. Als Alternative für einen neuen Hauptsitz gäbe es nun noch Zittau im Dreiländereck Deutschland–Polen–Tschechien. „Das Topmanagement kann man vielleicht überzeugen, dort hinzuziehen“, so Funke. Die zahlreichen Mitarbeiter*innen aber wohl kaum. Ein Gesamtumzug stand daher laut Funke nie zur Debatte. „Hier in Köln haben wir alles um die Ecke, was wir brauchen. Dank der Supermärkte und Restaurants können wir sogar auf eine Kantine verzichten“, sagt er. Hinzu komme die gute Anbindung durch die S-Bahn. Viele Mitarbeiter*innen kämen auch mit dem Fahrrad zur Arbeit. 

Zur Weihnachtsfeier in der Wassermannhalle Ende des vergangenen Jahres kamen 320 der 340 Kölner Mitarbeiter*innen, mehr als 30 Nationen waren versammelt. „Und wenn nachts dann alle gemeinsam das Lied ‚Tommi‘ von AnnenMayKantereit singen, das von Köln handelt“, so Funke, „dann ist das ein echt cooles Gefühl.“

 

Wachstum trotz Platzmangel?

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