Wirtschaft, Politik und Wissenschaft setzen auf grünen Wasserstoff im Kampf gegen den Klimawandel. Auch in Köln wird bereits eifrig experimentiert und investiert.
Heribert Schamong ist einer, der‘s anpackt. Seine Kaffeerösterei will er auf Wasserstoff umstellen. Schamong, 68 Jahre alt, führt das Unternehmen in dritter Generation. In Ehrenfeld und Ossendorf röstet seine Firma derzeit Kaffeebohnen, beide Anlagen betreibt er bisher mit Erdgas. „Spätestens nach dem russischen Angriffskrieg vergangenes Jahr war mir klar, dass das keine langfristige Lösung ist“. Eine Umstellung auf Strom – bevorzugt aus erneuerbaren Energien? Nicht ohne Weiteres machbar, so der Unternehmer. Deswegen Wasserstoff. Aber: Eine solche Transformation ist immens teuer. Schamong ließ sich den Technologietausch von der Technischen Hochschule Köln durchrechnen. Er will es trotzdem durchziehen – auch um Pionierarbeit zu leisten.
Wasserstoff, Elementsymbol H, ist einer der großen Hoffnungsträger für die Zukunft der deutschen Wirtschaft. Mit dem Aufkommen eines komplett neuen Energieträgers ergeben sich aber automatisch große Veränderungen. Denn irgendwer muss diesen Wasserstoff produzieren – und zwar grün –, Industrieunternehmen müssen ihre Produktion umstellen. Auch der Wirtschaftsstandort Köln muss sich anpassen, damit kleine Firmen wie Schamong aber auch die ganz großen weiter effizient am Standort produzieren können. Und er tut das bereits an vielen Stellen.
Experimentierfeld für die Industrie
Ganz vorne mit dabei, was die Produktionskapazitäten angeht, ist die Chemiebranche – auch im Großraum Köln. Der britische Chemiegigant INEOS etwa plant einen 100-Megawatt-Elektrolyseur in seinem Chemiepark im Kölner Norden. Und Energieversorger Shell nahm bereits 2021 in Wesseling eine Anlage in Betrieb.
Potenzielle Abnehmer für den Energieträger gibt es viele. „Ohne Wasserstoff wird es nicht gehen“, bestätigt auch Peter Stenzel, der sich an der TH Köln mit dem Thema Wasserstoffwirtschaft befasst. „Gerade in der Industrie wird er gebraucht, etwa beim Stahl.“ Aber auch abseits der Schwerindustrie schielen Unternehmen auf Wasserstoff als Energieträger, um sich klimaneutral aufzustellen. So wie Heribert Schamong. „Bisher kaufen wir dafür Zertifikate, aber das ist eigentlich nur Schönfärberei”, sagt er. Mit Wasserstoff soll sich das ändern. Er wartet derzeit auf Förderung von staatlicher Seite. Bis dahin wird die Rösterei in Ossendorf mit Propangas betrieben.
Max Thien, Innovationsmanager für den Bereich Green Economy bei der KölnBusiness Wirtschaftsförderung, kennt viele Fälle von Unternehmen, die sich mit Wasserstoff befassen, ihre Projekte aber bisher noch nicht umgesetzt haben. „Teilweise ist es noch schwierig, überhaupt an grünen Wasserstoff zu kommen, da es kaum Lieferanten gibt“, sagt er. Auch bei den technischen Umrüstungen stehe den Firmen einiges bevor. Förderprogramme von Land und Bund könnten hier unterstützen. KölnBusiness berät dazu und vernetzt unterdessen die verschiedenen Player in der Stadt, damit Unternehmen Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig helfen können.
„Insgesamt sind wir gut aufgestellt“, sagt Thien. In vielen Punkten sei der Standort Köln früh dran, viele Pilotprojekte würden laufen. Er weist allerdings auch darauf hin, dass es wenig bringt, die Kommune isoliert zu betrachten. „Wasserstoff ist ein Landes-, ein Bundes- und auch ein europäisches Thema“, sagt er. Wichtig sei also nicht nur, was lokal passiere. Ein umfassendes Infrastrukturnetzwerk namens „European Hydrogen Backbone“ plant etwa die EU-Kommission.
Das sieht auch TH-Experte Peter Stenzel so. „Viele Fragen sind aktuell noch offen, aber wenn wir frühzeitig ausprobieren, was klappt, sind wir bereit, wenn Wasserstoff in ausreichender Menge verfügbar ist.“
RVK, Deutz AG, hylane: Kölner Pilotprojekte im Verkehrssektor
Das gilt neben der Produktion für einen weiteren Bereich, der ein potenzieller Großabnehmer für grünen Wasserstoff werden könnte: der Verkehrssektor.
Neben der Regionalverkehr Köln GmbH, die mit 52 Wasserstoffbussen über die größte Wasserstoffflotte ihrer Art in Europa verfügt und somit längst vorangeht bei dem Thema, gibt es in Köln im Bereich der Nutzfahrzeuge einige Pilotprojekte. Der Motorenbauer Deutz AG experimentiert schon seit etwa fünf Jahren mit der Technologie und ist nun bereit, durchzustarten. „Die Serienproduktion wird in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres anlaufen“, sagt das Unternehmen, das zuletzt gut 1,6 Milliarden Euro Umsatz verzeichnete. Deutz hat dabei vor allem den „Off-Highway-Markt“ im Auge, also etwa Traktoren. Auch in Lkw könnten solche Maschinen zum Einsatz kommen. An einem entsprechenden Projekt ist die Firma beteiligt, in zwei 18-Tonner soll bald ein Wasserstoffmotor eingebaut werden, diese will Deutz dann in der eigenen Logistik nutzen.
Schon voll in der Wasserstoffwirtschaft angekommen ist die junge Kölner Firma hylane. Diese vermietet bereits heute wasserstoffbetriebene Lkw an Kund*innen, darunter an die Spedition Amm, Rewe und den Logistikkonzern DB Schenker. Produziert werden die Lastwagen unter anderem von Hyundai. Bei hylane zahlen Kund*innen nach gefahrenen Kilometern. „Die Fahrzeuge können mit den Nutzungsprofilen der Diesel-Lkw mithalten. Damit das flächendeckend funktioniert, brauchen wir aber noch deutlich mehr Tankstellen“, sagt Giuliana Frank, die bei dem Startup den Kundenservice verantwortet. Das Feedback sei dennoch positiv. „Ein Wasserstoff-Tankvorgang dauert so lange wie einer mit Diesel“, so Frank weiter, „ist somit also schneller als das Aufladen einer Batterie“. Für die Logistikbranche, in der Zeit wortwörtlich Geld ist, bedeutet das einen entscheidenden Vorteil.