Keine Energiewende ohne NKT

 - KölnBusiness
Anders Jensen ist Chief Technology Officer des Kabelherstellers NKT. Das in Köln ansässige dänische Unternehmen produziert Hochspannungskabel.
© Ricardo Wiesinger

Anders Jensen ist Chief Technology Officer des Kabelherstellers NKT.  Mit KölnBusiness spricht er über die Bedeutung des Unternehmens bei der Energiewende und die Vorzüge des Standorts Köln für die dänische Firma – und verrät, warum er kein Fan des 1. FC Köln geworden ist.

 

Es ist ein ganz normaler Donnerstagmorgen im Kölner Teil des Chemparks: Transporter, Fahrdienste und Angestellte eilen über die Werksstraßen, aus den Industrieanlagen steigt Dampf auf. Hier, direkt an der Stadtgrenze zu Leverkusen, hat NKT (Nordiske Kabel- og Traadfabriker) seinen Sitz. Das dänische Unternehmen stellt Kabel aller Art her, in Köln produziert es Hochspannungskabel, die unter anderem in großen Stromtrassen verbaut werden. Auf rund 90.000 Quadratmetern wird hier die Infrastruktur für das Megaprojekt Energiewende gefertigt. Anders Jensen, Chief Technology Officer (CTO) des Gesamtkonzerns, sitzt im dritten Stock des Verwaltungsgebäudes, in einem Büro, das dänisch nüchtern daherkommt. Bis auf eine Ausnahme: Ein großes Ölgemälde zeigt, wie in Köln einst Kabel hergestellt wurden, lange bevor NKT ins Rheinland kam.

 

Herr Jensen, NKT ist eigentlich ein dänisches Unternehmen, hat aber schon seit vielen Jahren einen Standort in Köln. Von hier aus stellen Sie die Weichen für die deutsche Energiewende.

Ganz genau. Für das Großprojekt Energiewende fertigen wir hier am Standort die Kabel, die Stromproduktion und -konsum verbinden.

 

Was bedeutet das genau?

NKT produziert Nieder-, Mittel- und Hochspannungskabel. Vor allem Letztere sind wichtig, weil sie in den großen Stromkorridoren zum Einsatz kommen, etwa bei der Hochspannungstrasse SuedLink. So verbinden wir Deutschlands Norden, in dem der Strom – etwa in Offshore-Windparks – produziert wird, mit dem Süden, wo viel Strom verbraucht wird, zum Beispiel von der Industrie. Im Klartext: Ohne diese Kabel kann die Energiewende nicht funktionieren.

 

Und all diese Kabel stellen Sie in Köln her?

Zum Teil. Es gibt Unterschiede zwischen See- und Landkabeln. Die Seekabel, die Offshore-Windparks mit dem Festland verbinden, müssen natürlich anders designt und gefertigt werden. Hier in Köln stellen wir vor allem die Landkabel her, die dann in Projekten wie SuedLink verbaut werden. Da geht es um mehr als 700 Kilometer Kabel, die eine Leistung von zwei Gigawatt übertragen können. Nicht viele Unternehmen sind in der Lage, so etwas anzubieten. Gerade bei Hochspannungskabeln waren wir bei Innovationen oft vorn. So haben wir als erste Firma 525-Kilovolt-Kabel hergestellt.

 

NKT ist seit mehr als 20 Jahren am Standort Köln. Warum sind Sie damals überhaupt hierhergekommen?

1999 übernahm NKT den Kabelhersteller Felten&Guillaume aus Köln-Mülheim. Für uns war das ein Meilenstein, denn F&G war ein Unternehmen mit wertvoller Kabel- und Garnituren-Fertigungstechnologie, die wir gern in unser Portfolio aufnahmen. Außerdem liegt Köln wunderbar zentral in Europa. Von hier aus können wir unsere europäischen Absatzmärkte gut erreichen. Die Autobahnanbindung ist hervorragend, der Flughafen nicht weit. Und direkt hier am Chempark fließt der Rhein entlang, der als Wasserstraße ebenfalls wichtig für uns ist.

 

Sie gelten heute als Innovator Ihrer Branche. Billigkonkurrenz droht also nicht?

Natürlich haben wir Konkurrenten, die mit niedrigeren Preisen auf den Markt kommen, vor allem aus China. Das ist eine Herausforderung für uns, da es mit diesen Firmen keinen fairen Wettbewerb gibt. Sie bekommen staatliche Beihilfen, die es in Europa nicht gibt. Da würde ich mir auch Unterstützung von der Politik wünschen.

 

Was stellen Sie sich vor?

Es ist wichtig, dass bei Ausschreibungen ein komplexeres und verbindliches Entscheidungssystem angewandt wird. Aufträge dürfen nicht nur preisfokussiert vergeben werden. Weitere Kriterien wie Transportwege und der damit zusammenhängende CO2-Ausstoß oder eine umweltschonende und nachhaltige Produktion müssen unbedingt berücksichtigt werden.

 

Haben Sie diese Bedenken bei der EU hinterlegt?

Ja, das haben wir. Schließlich geht es auch um eine Grundsatzentscheidung: Wer profitiert von der enormen Wertschöpfung, die durch die Energiewende entsteht? Ganz klar Europa. Diese Transformation ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance. Neue Technologien werden benötigt, viele Arbeitsplätze geschaffen. Wenn wir aber nicht aufpassen, geschieht das nicht in Europa. Wir haben schon bei der Solarbranche gesehen, wie es laufen kann, wenn europäische Anbieter verschwinden und die Produkte von außerhalb Europas bezogen werden müssen. Das ist auch im Hinblick auf den CO2-Ausstoß durch die langen Transportwege nicht zielführend für die Energiewende. Denn im Gegensatz zu Wettbewerbern aus anderen Regionen der Welt verpflichten wir uns als Unternehmen ambitionierten Klimazielen. Bis 2030 möchten wir unsere Emissionen um 90 Prozent im Vergleich zu 2019 reduzieren und sind bereits auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

 

Was macht NKT außerdem, um seine führende Marktposition zu halten?

Wir haben in letzter Zeit in Schweden und hier im Kölner Chempark unsere Kapazitäten erweitert und wichtige Investitionen getätigt. In Karlskrona haben wir einen 150 Meter hohen Extrusionsturm zur Isolierung der Stromkabel erbaut. Und in Köln ist das neue Testzentrum errichtet worden. Das sind zwei Leuchtturmprojekte, die symbolisch für unsere Position in der Energiewende stehen und unsere führende Position innerhalb der XLPE- und HVDC-Technologie unterstreichen.

 

Was steckt hinter dieser Technologie?

Es geht hier um Hochspannungs-Gleichstromkabel mit einer vernetzten Isolierung auf Polyethylenbasis. Diese Technologie ist von entscheidender Bedeutung für den Ausbau des Offshore-Windmarkts und die Vorbereitung der globalen Stromnetze auf den künftigen Bedarf an grüner Energie. Denn sie ermöglicht den Transport größerer Strommengen über längere Entfernungen. Darüber hinaus haben wir im Rahmen des Investitionsprogramms neue Maschinen und ein Binnenschiff namens Agrippina erworben, das speziell für den Transport von Seekabeln auf dem Rhein entwickelt wurde.

 

Im vergangenen Jahr war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Kölner Standort zu Besuch. Haben Sie das Gefühl, mit Ihren Anliegen bei der Politik durchzudringen?

Das habe ich, gerade in Deutschland. Bei seinem Besuch hier vor Ort habe ich Minister Habeck darauf angesprochen, dass die Sondergenehmigungen für unsere Kabeltransporte oft unverhältnismäßig lange auf sich warten lassen. Und tatsächlich hat er sich des Themas angenommen, seit seinem Besuch hat es eine positive Entwicklung gegeben. Klar ist: Das Projekt Energiewende ist so gewaltig – wenn die Politik nicht mitzieht, wird es nicht gelingen.

 

Für eine erfolgreiche Energiewende braucht es auch ausreichenden Rohstoffzugang. Wie sieht die Versorgungslage bei NKT aus?

Wie bei allen Unternehmen wird sie anspruchsvoller. Ohne Rohstoffe wie Kupfer oder Kunststoff gibt es keine Kabel. Wir brauchen heute mehr Lieferanten als früher, um uns abzusichern. Wir haben gerade gesehen, wie schnell sich die Lage ändern kann. NKT hatte auch Zulieferer in der Ukraine, mitten im Kriegsgebiet. Also mussten wir unsere Lieferketten anpassen. Das hat funktioniert, war aber natürlich aufwendig. Schließlich müssen wir die hohen Qualitätsstandards der Netzbetreiber erfüllen. Wir können also nicht irgendeinen Zulieferer nehmen, es braucht gründliche Audits.

 

NKT hat erst kürzlich vom deutschen Übertragungsnetzbetreiber Amprion den Zuschlag für zwei Onshore-Hochspannungskabelprojekte erhalten. Damit steigt der Auftragsbestand im Hochspannungsbereich auf rund 12 Milliarden Euro. Was bedeutet das für den Standort Köln?

Wir werden rund 100 Millionen Euro in zusätzliche Fertigungskapazitäten im bestehenden Werk in Köln investieren. Diese sollen ab 2027 in Betrieb gehen. Wir freuen uns sehr über diese Aufträge, denn sie bestätigen unser lokales Engagement, unseren starken Fokus auf Nachhaltigkeit und unsere Kompetenz bei Hochspannungskabelsystemen. Darüber hinaus tragen sie dazu bei, hochqualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und die Energiewende umzusetzen.

 

Wo wir beim Thema Fachkräftemangel wären. Hat er auch NKT erreicht?

Natürlich. Wir suchen wie alle anderen und merken, dass es schwierig ist. Dabei geht es nicht nur um Ingenieurinnen und Ingenieure. Wir brauchen ebenfalls dringend Zuwachs im Projektmanagement und Kabeldesign. Dazu kommen offene Stellen in der Fabrik und im Hintergrund, in der Logistik und im Werksmanagement.

 

Ist die Suche nach Talenten in Köln einfacher oder schwieriger als anderswo?

Der Standort bietet einige Vorteile. Es gibt viele gute Hochschulen in der Region, die Universität zu Köln, die Technische Hochschule, natürlich auch die RWTH in Aachen. Dort sind wir präsent und werben aktiv für unser Unternehmen. Und was die Jobs in der Produktion angeht: In der Region gibt es viele Industriebetriebe mit Fabriken. Denen nehmen wir natürlich nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weg. Aber in Branchen wie der Automobilindustrie schwankt die Auslastung stärker als bei uns. Wenn da die Auftragslage schwächer ist, können wir den Menschen etwas anbieten.

 

Werben Sie auch von außerhalb der Region an?

Das tun wir natürlich, zum Beispiel an anderen passenden Hochschulen. Dresden ist ein Beispiel, Karlsruhe auch. Als Fußballfan vergleiche ich Unternehmen gern mit Spitzenklubs. Wir versuchen, Topleute zu uns zu holen, quasi als Transferziel. Aber auch unsere eigene Nachwuchsarbeit hier vor Ort ist wichtig. Nur so kann ein Verein erfolgreich sein, nur so kann ein Unternehmen erfolgreich sein.

 

Ist Köln für Talente von außerhalb attraktiv?

Köln ist als Großstadt attraktiv. Außerdem ist das Bergische Land nicht weit, all das ist interessant für potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Natürlich ist der Wohnungsmangel ein Problem, aber in welcher Großstadt ist das nicht so?

 

Sie selbst leben seit 15 Jahren in Köln. Wie heimisch fühlen Sie sich hier?

Ich fühle mich hier sehr wohl. Als Nordlicht musste ich mich auf die Rheinländerinnen und Rheinländer ein wenig einstellen, aber das lohnt sich. Köln hat ein tolles Kulturangebot und schöne Natur vor den Stadttoren. Als Däne vermisse ich die Nord- und Ostsee, aber dafür gibt es hier Berge – zumindest für dänische Verhältnisse.

 

Und als Fußballfan fiebern Sie nun mit dem 1. FC Köln mit?

Ich traue mich kaum, das zu sagen, aber als Däne, der in den Siebzigerjahren nahe der deutschen Grenze aufgewachsen ist, sympathisiere ich mit Borussia Mönchengladbach. Damals spielten dort Allan Simonsen und Henning Jensen, dänische Nationalspieler und Bundesligastars. Aber zum Borussiapark ist es von Köln aus nicht weit.

 

NKT-Kabel für die Vernetzung erneuerbarer Energien

NKT ist Hauptlieferant für zwei Stromkorridore, die für die Energiewende in Deutschland unverzichtbar sind.

Mit dem SuedOstLink entsteht die weltweit erste große kommerzielle Verbindungsleitung zur Sicherung der Stromversorgung im Südosten der Bundesrepublik. Insgesamt umfasst die Verbindung 1.100 Kilometer Kabel. NKT hat den Zuschlag für drei von fünf Teilabschnitten erhalten.

Mit 1.340 Kilometern wird SuedLink die längste unterirdische Stromverbindung der Welt sein. NKT hat den Zuschlag für den längeren der beiden Stromkabelabschnitte erhalten.

 

Der westliche Abschnitt hat eine Gesamtlänge von 750 Kilometern.

Länge der Kabelstrecke SuedOstLink: rund 275 Kilometer

Länge der Kabelstrecke SuedLink: rund 750 Kilometer.

 


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