Das Kölner Indie-Games-Studio Critical Rabbit hat mit „Fall of Porcupine“ seinen ersten Erfolg gefeiert. Nun sucht Geschäftsführer und Entwickler Sebastian Heße Gaming-Investor*innen für sein neues Spiel „Project Tortuga“.
Dienstagmittag, 14 Uhr. Nur noch wenige Tage bis zur devcom Köln. Im Studio von Critical Rabbit werkeln Sebastian Heße und Mitgründer Florian Rüttger konzentriert an ihrem Stand für die Entwicklerkonferenz, die in einer Woche den Auftakt zur diesjährigen gamescom Köln bilden wird. Aus einfachem Holz haben sie eine kleine Präsentationsfläche gebaut. Es ist kein glamouröser Stand, aber er erfüllt seinen Zweck: Aufmerksamkeit auf „Project Tortuga“ zu lenken, ihr neuestes Spiel, für das sie dringend Gaming-Investor*innen suchen. Insgesamt 250.000 Euro benötigen die Gründer des Videospielstudios, die Film- und Medienstiftung NRW hat bereits die Herstellungsförderung zugesagt. Jetzt fehlt noch der Rest, um etwa ein Dutzend Mitarbeiter*innen zu bezahlen:Grafikdesigner*innen, Co-Autor*innen, Tonspezialist*innen. Die Entwicklerkonferenz devcom und die gamescom könnten die Chance sein. Das Spiel, bei dem es um die Reise einer Meeresschildkröte geht, soll im besten Fall ein Hit „made in Cologne“ werden.
Auf einem Bildschirm an der Rückwand läuft der Trailer ab: Eine Hütte am Strand, im schummrigen Licht hängen Landkarten und Fotos – das ist der erste Eindruck, den Besucher*innen von dem Projekt bekommen. Schnell wird klar, es geht um die Plastikverschmutzung der Meere. Ein mutiges Thema, doch es passt zu Critical Rabbit, dem Kölner Indie-Games-Studio, das mit „Fall of Porcupine“ bereits einen ersten Erfolg gefeiert hat. Das Spiel handelt von einem jungen Assistenzarzt und thematisiert die Probleme des Gesundheitssystems: Pflegekrise, Privatisierung, Überforderung.
Schwierige Zeiten für die Gamesbranche NRW
Heße und Rüttger wissen, dass es eine schwierige Zeit ist, Investor*innen in der Gamesbranche NRW zu finden. „Es macht gerade gar keinen Spaß“, sagt Heße. Die Branche ist seit Monaten in Krisenstimmung. Weltweit kam es zu Entlassungen und Studioschließungen, auch Heße musste die Hälfte seines Teams gehen lassen. Dabei sah es lange so aus, als könnte es für die Videospielentwicklung nur in eine Richtung gehen: aufwärts. Die Coronapandemie lockte die Menschen vor die Konsolen. Allein 2020 wuchs der Umsatz der Branche um 32 Prozent. Für viele Entwicklerstudios eröffneten sich neue Möglichkeiten, Ideen, die lange auf eine Finanzierung gewartet hatten, bekamen eine Chance. Davon profitierte auch Heße. Ursprünglich Filmhochschulabsolvent und Werbefilmer, brachte er sich das Programmieren selbst bei und gründete mit Florian Rüttger, seinem damaligen Chef der Kölner Werbeagentur Buntspecht, das Studio Critical Rabbit. Investor*innen für ihr erstes Projekt zu finden war nicht schwer. „Die Publisher waren über jede Idee glücklich, die sie unterstützen konnten“, sagt Heße rückblickend. Neben der Unterstützung von Assemble Entertainment erhielten sie auch hier eine Förderung von der Film- und Medienstiftung NRW.
2023 kommt „Fall of Porcupine“ auf den Markt und erhält viel Zuspruch. Heße gewinnt den Deutschen Entwicklerpreis in der Kategorie Beste Story und wird in gleich vier Kategorien für den Deutschen Computerspielpreis nominiert. Aber nicht nur bei den Jurys kommt das Kölner Spiel gut an. Zehntausende Male wurde es bisher verkauft. Auch ein Jahr später ist das Spiel noch beliebt und ermöglicht dem Studio bis heute kleine, aber konstante Einnahmen. Wenn erst einmal ein paar Spiele veröffentlicht sind, so die Hoffnung, wollen Heße und Rüttger Games aus eigener Tasche finanzieren – doch dafür müssen sie wachsen. „Project Tortuga“ soll dabei helfen. Es soll Critical Rabbit durch die Krise bringen.
Games-Standort Köln: Netzwerk und Förderung für Indie-Games-Studios
Köln als Standort bietet Studios dafür wichtige Rahmenbedingungen. Das dichte Netzwerk von globalen Konzernen wie Electronic Arts oder der ESL FACEIT GROUP und die vielen kleinen und mittelgroßen Gamingunternehmen in der Stadt ermöglichen den kontinuierlichen Austausch von Wissen und Ideen, wovon junge Player wie Critical Rabbit profitieren können. Durch das Cologne Game Lab an der Technischen Hochschule steht zudem eine qualifizierte Nachwuchsschmiede zur Verfügung, die den Zugang zu gut ausgebildeten Talenten erleichtert.
Gerade in Zeiten wie diesen ist die Unterstützung durch Initiativen wie das geplante Cologne Games Syndicate von KölnBusiness entscheidend. „Dieser Verein soll jungen Studios dabei helfen, ihr Wachstum zu beschleunigen und ihre unternehmerische Professionalität zu stärken“, erklärt Christoph Kohlhaas, Experte für Gaming und E-Sports bei der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. „Zudem wollen wir den Austausch von Wissen, technologischen Entwicklungen und innovativen Ideen fördern. Ziel ist es, Köln als Hotspot in der europäischen Games-Landschaft zu positionieren und den gesamten Games-Standort NRW wettbewerbsfähiger zu machen. Rund 20 Studios und Partner haben bereits ihr Interesse bekundet.“
Als Gründungsmitglied des Cologne Games Syndicate schätzt Florian Rüttger, Gründer von Critical Rabbit, die Rolle des Netzwerks besonders: „Das Syndicate nutzen wir als Hebel, um Köln und lokale Games-Firmen wie uns in der Branche noch sichtbarer und relevanter zu machen. Das unterstütze ich gerne.“