Seit 1964 entwickelt und produziert die igus GmbH schmierfreie Hochleistungskunststoffe in Köln. Inhaber Frank Blase findet dort ideale Bedingungen, um Produkte zu verbessern und Innovationen voranzutreiben: Das Kunststoff-Fahrrad oder Gelenke für Roboter sind da nur zwei Beispiele von vielen.
„Geben Sie mir Ihr schwierigstes Teil und ich finde eine Lösung“, sagte einst Ihr Vater. Spiegelt sich darin auch die Kölner Lebensart wider – nämlich mit Phantasie und Hartnäckigkeit alle Herausforderungen zu meistern?
Ja, und auch die Kunst zu improvisieren. Wenn man in einer Garage anfängt, dann muss man sein Produktangebot schon sehr stark zuspitzen. Die Startups von heute machen es genauso und auch davon gibt es in Köln sehr viele und sehr gute. Und bis heute ist die Konzentration auf Kunststoffe für Bewegung mit dem Ziel „improve what moves“ ein klarer Fokus von igus.
Igus wurde 1964 in einer Garage gegründet – und ist bis heute dem Standort Köln treu geblieben. Was spricht für die Stadt?
Die Vielfalt; die Attraktivität für junge Leute, die zuziehen; die von außen oft unterschätzte Industriebreite, mit der man eine sehr gute Supply Chain organisieren kann. Und die Innovationsfreunde, um beispielsweise mithilfe innovativer Kunststoffe teure Metalle zu ersetzen. Da gibt es eine klare Botschaft: Man muss nicht ins Ausland, um zu sparen und das Produkt zu verbessern. Man kann das auch mit einer Kölner Firma machen.
Zur Person
Frank Blase ist Inhaber und CEO der igus GmbH. Als der Betriebswirt 1983 in die väterliche Firma einstieg, kam sie auf einen Jahresumsatz von umgerechnet 1,4 Millionen Euro. Heute erzielt igus mit mehr als 4.500 Beschäftigten einen Umsatz von rund 961 Millionen Euro und betreut in über 80 Ländern rund 188.000 Unternehmen. Wichtige Branchen sind Automobil-und Verpackungsindustrie, Bahn- und Agrartechnik, Werkzeugmaschinenbau und erneuerbare Energien.
Was zeichnet Köln noch aus?
Auch die Dichte und Qualität von Kölner Hochschulen und Hochschulen aus der Region wird oft unterschätzt und die ist in Köln gut. Fachkräfte gibt es auch viele und wir als Unternehmen haben zusätzlich mit der IHK in Köln ein Programm für „Erwachsenenbildung“ aufgelegt. In den vergangenen Jahren haben wir dort fast 200 Erwachsene bei vollem Lohn zu Facharbeitern ausgebildet, zum Beispiel am Kunststoff-Spritzguss. Hier war die Flexibilität der Kölner IHK sehr hilfreich.
Kunststoffe werden aktuell häufig kritisch beäugt. Wie steht es bei igus um Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Wer unsere Produkte einsetzt, kann online die Lebensdauer berechnen, kann Produkte mit längerer Lebensdauer einsetzen und braucht zum Beispiel nie Schmierung. Das sind starke Beiträge für die Nachhaltigkeit. Gleichzeitig müssen wir bei der Herstellung und beim Kunststoffabfall viel tun, um – mit Star Wars zu sprechen – auf der hellen Seite der Macht zu stehen. Das tun wir auch.
Unser Ziel ist, bis 2025 klimaneutral zu sein. Bis jetzt sind wir bei 95 Prozent. Mit unserem „chaingeProgramm“, in dem wir verschlissene, alte Energieketten gegen Wertgutschein zurücknehmen und der Circular Economy zuführen, haben wir zunehmend Erfolg. Im Sinne von „Cradle to Cradle“ haben wir aus diesem rückgeführten Kunststoffmüll die sogenannte Cradle-Chain dieses Jahr herausgebracht, die zu 100 Prozent aus diesen wertvollen Abfällen besteht.
Aktuell arbeitet igus mit mtrl.bike am Konzept eines Kunststoff-Fahrrads. Wie geht das weiter?
Den Traum eines kompletten Fahrrads aus Kunststoff, das nie rostet und nie geschmiert werden muss und zum allergrößten Teil aus Recycling-Haushaltsmüll gemacht werden kann, erfüllen wir uns mit DutchFiets, beziehungsweise jetzt umbenannt in mtrl.bike. An dieser Firma haben wir uns maßgeblich beteiligt. Die ersten kompletten Räder werden von mtrl.bike gefertigt, sämtliche bewegten Teile kommen aus Köln. Weiterhin haben wir die igus:bike-Plattform gestartet und möchten damit die Fahrradindustrie befähigen, Räder aus Kunststoff zu produzieren.
Aus welcher Quelle schöpft igus seine Ideen – wie wird Ihr Unternehmen zum Disneyland für Ingenieure?
Wir schöpfen ganz viele Ideen aus Kundenwünschen. Unsere gedachte und gelebte Organisation ähnelt einem Sonnensystem. Der Kunde ist die Sonne, von der Sonne bekommen wir Licht und Energie, sprich Geld und Ideen. Manchmal gibt es auch Sonnenbrand, also Reklamationen. Viele unserer neuen Produkte stammen aus sehr ernst genommenen Reklamationen.
Eine weitere Quelle sind unsere Träume, die wir umsetzen, zum Beispiel das Fahrrad oder beispielsweise Roboter ganz aus Kunststoff. Danach werden wir nicht gefragt, aber wir probieren es dann aus.
Inwiefern helfen igus-Ideen auch dabei, dass sich mittelständische Betriebe ohne Scheu vor hohen Investitionskosten für den Einstieg in die Robotik entscheiden können?
Einer dieser Träume war ein Roboter überwiegend aus Kunststoff. 40 Prozent der Hardwarekosten eines Mehrachsroboters stammen aus dem Getriebe. Indem wir das Getriebe aus Kunststoff-Spritzguss machen können, was sehr viele Jahre der Forschung und Tests bedurfte, reduzieren wir die Roboterkosten auf unter 5.000 Euro inklusive Steuerung.
In Ihrer Freizeit investieren Sie in das Musical „Himmel und Kölle“, das bereits mehrmals ausgezeichnet wurde. Darunter mit einem Sonderpreis für den Produzenten Frank Blase. Ihre Art, zu entspannen?
Auf meiner Visitenkarte steht CEO & Unternehmer, weil ich mittlerweile mit vier weiteren CEOs arbeiten darf. Meine unternehmerischen Leidenschaften gehen auch in die Kultur. Bei der Produktion des Musicals habe ich allerdings festgestellt, was ich immer schon ahnte: dass die Jobs eines Kunststoffproduzenten und eines Musicalproduzenten sich sehr ähneln, am Ende artet alles in Arbeit aus. Und für beides braucht man Kreativität. Und beides macht Spaß und beides mache ich mit großer Leidenschaft.