Jörg Bienert ist Vorstandsvorsitzender des KI-Bundesverbands. Im Interview erklärt er, warum Deutschland gar nicht so abgehängt ist, wie viele glauben – und warum Köln zur Spinne im Netz des KI-Clusters im Rheinland werden könnte.
Herr Bienert, wenn wir über künstliche Intelligenz sprechen, geht es häufig um Firmen aus dem Ausland. Wird Deutschland abgehängt?
Das würde ich so nicht sagen. Deutschland ist in der Forschung sehr weit vorn, wenn es um das Thema künstliche Intelligenz geht. Wir haben exzellente Universitäten und Städtecluster in Deutschland, die bei dem Thema europaweit und auch weltweit locker mithalten können. Was uns die großen US-Firmen voraushaben: Sie schaffen es, die Forschung in ein Geschäftsmodell umzumünzen. Teilweise fließen Milliardensummen in Startups, die Deutschland nicht aufbringen kann oder will – weder öffentlich noch privat. Da müssen wir besser werden, damit uns andere Länder nicht davonlaufen.
Ein wachsender KI-Standort im Rheinland
Das Rennen um künstliche Intelligenz wird auch regional entschieden. Welche Rolle spielt Köln dabei?
Köln ist bereits auf einem guten Weg. Anders als München oder Berlin hat Köln traditionell keine starke Ausprägung in der Informatik, aber daran wird gerade gearbeitet. Gleichzeitig gibt es in Köln mit DeepL das wertvollste KI-Unternehmen Deutschlands. Generell beobachten wir im KI-Bundesverband: Die Voraussetzungen für die Gründung eines Startups im Bereich künstliche Intelligenz sind in Köln hervorragend. Die umliegenden Hochschulen bringen Talente mit, es gibt genug Büroräume, und auch die Förderungen sind auf einem sehr guten Niveau. Köln könnte mittelfristig zur Spinne im Netz werden und sich als Stadt im KI-Cluster Rheinland etablieren, die junge Talente aus der ganzen Welt anzieht.
Das KI-Cluster Rheinland – was zählt für Sie alles dazu?
In NRW und im Kölner Raum gibt es sehr vielfältige Aktivitäten, die auf das Thema KI einzahlen. In Sankt Augustin bauen sie aktuell am OpenGPT-X, einem Open-Source-Sprachmodell, das noch dieses Jahr Ergebnisse präsentieren wird. Ebenfalls in Sankt Augustin sitzt WestAI, ein KI-Servicezentrum unter der Leitung der Uni Bonn. In Jülich haben wir bald den größten Supercomputer Europas und einen der größten der Welt, der sich hervorragend für KI-Anwendungen nutzen lässt. Und in Hürth gibt es mit dem AI Village einen wichtigen Anlaufpunkt für junge Unternehmen und Mittelständler. Hinzu kommt die großartige Forschung in der Region: Die RWTH Aachen beispielsweise ist auf diesem Gebiet ganz vorn mit dabei. Und mit dem Lamarr-Institut haben wir ein Zentrum für Spitzenforschung im Bereich der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens. Die Region um Köln ist wahrlich ein zentraler KI-Standort in Deutschland und Europa.