Einblicke in das DLR Institut für KI-Sicherheit: Vom autonomen Fahren bis zur Luftfahrt

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Dr. Melanie von der Wiesche vom DLR, verantwortlich für die Standorte West.
© Ricardo Wiesinger

Dr. Melanie von der Wiesche leitet seit 2022 die Standorte West des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Sie plant, das DLR zum Vorreiter der KI-Forschung zu machen und trägt damit zur Weiterentwicklung von KI-gestützten Lösungen in Köln bei.

 

Hätte die US-Serie „Akte X“ irgendwann mal eine Folge in Deutschland gedreht, wäre Wahnheide der ideale Ort gewesen. Militärische Sperrgebiete, Raumfahrtforschung, gigantische Testanlagen: Mulder und Scully hätten ihre Freude gehabt. Hier, zwischen Flughafen und Kaserne Wahn, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) seinen Hauptsitz. Wir treffen Standortleiterin Melanie von der Wiesche im :envihab, der medizinischen Forschungseinrichtung des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin.

 

Frau Dr. von der Wiesche, Sie sind seit zwei Jahren Leiterin der Standorte West des DLR. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Ich arbeite seit 2005 am DLR-Standort Köln. Als promovierte Biologin war ich seit 2012 Leiterin der Studienteams am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, dann wurde ich angesprochen, ob ich mich nicht auf die ausgeschriebene Leitung der DLR-Standorte in der Region West bewerben möchte. Nun bin ich seit knapp zwei Jahren in dieser Position, die mir sehr viel Freude bereitet. Neben dem DLR Köln fallen die Institute und Einrichtungen in Aachen, Bonn, Jülich, Rheinbach und Sankt Augustin darunter. Dort arbeiten etwa 4.000 der knapp 11.000 Mitarbeiter*innen, die das Zentrum insgesamt hat. Die Aufgabe ist so reizvoll, weil das DLR trotz seines Namens mehr als Luft- und Raumfahrtforschung betreibt. Wir haben insgesamt vier Kernbereiche, neben den beiden namensgebenden sind das noch Energie und Verkehr, dazu kommen die wichtigen Querschnittsthemen Digitalisierung und Sicherheit.

 

Das sind Bereiche, an denen sich die ganz großen Fragen unserer Zeit entscheiden: Krieg, Energiewende, KI, E-Mobilität. Besteht da nicht die Gefahr, dass man sich verzettelt?
Nein, denn wir konzentrieren uns auf unser wichtigstes Alleinstellungsmerkmal: anwendungsbezogene Forschung. Wir wollen, dass das, was wir hier entwickeln, dabei hilft, die Probleme der Gesellschaft zu lösen. Um herauszufinden, was das ist, sind wir im ständigen Austausch mit Politik und Wirtschaft.

 

Gaia-X 4 Future Mobility: Lebenswertere Städte dank KI

Im Institut für KI-Sicherheit des DLR wird unter der Leitung von Maximilian Stäbler das Projekt „Gaia-X 4 Future Mobility“ vorangetrieben. Die Idee: ein digitales Ökosystem, in dem Unternehmen und Kommunen auf KI-gestützte Lösungen zur Verkehrssteuerung zugreifen können. „Unsere Anwendungen müssen simpel bedienbar sein, denn vielen Kommunen fehlt IT-Know-how“, so Stäbler. Mehr als 80 Partner hat das DLR dafür gewinnen können. Auch deutsche Techkonzerne sind beteiligt. Ein Beispiel für eine Anwendung: Müllwagen, die mit Kameras ausgestattet Schlaglöcher erfassen und die Daten automatisch auswerten. Das Projekt „Gaia-X 4 Future Mobility“ soll mehr Lebensqualität in den Städten entstehen lassen.

 

Wie können wir uns den Austausch mit der Wirtschaft vorstellen? Gibt es Aufträge von Unternehmensseite, oder gehen Sie mit Ihren Ideen auf die Firmen zu?
Reine Auftragsforschung machen wir eher nicht. Trotzdem sind es in erster Linie die Unternehmen, die auf uns zukommen und um Zusammenarbeit bitten. Das liegt auch daran, dass wir eine Vielzahl großer Forschungs- und Testanlagen haben, die einzigartig sind. Ein Beispiel: Gerade erst haben wir eine neue Methode der optischen Diagnostik bei der Wasserstoffverbrennung getestet, in Zusammenarbeit mit Rolls-Royce. Das Ziel ist es, wasserstoffbetriebene Luftfahrttriebwerke zu bauen, ein wichtiger Schritt hin zum klimafreundlichen Fliegen. Für das Unternehmen ist unser technologisches Know-how interessant, aber auch die Prüfstände, die wir haben und die Rolls-Royce selbst nicht besitzt.

 

„KI-Systeme werden bald Teil der kritischen Infrastruktur sein“

 

Viele gesellschaftliche Fragen drehen sich derzeit um KI. Unter Ihre Leitung fällt auch das DLR Institut für KI-Sicherheit in Sankt Augustin. An was wird hier gearbeitet?
Sicherheit ist eines unserer Kernthemen, natürlich auch bei Luft- und Raumfahrt. Von den rapiden Fortschritten im Bereich künstlicher Intelligenz geht aber auch eine gewisse Gefahr aus. Unser Team in Sankt Augustin soll Fragen der Sicherheit, der Transparenz und der Ethik von Anfang an mitdenken bei der Entwicklung solcher Systeme, also genau das, was man in der Luftfahrt bereits macht. KI-Systeme werden bald Teil der kritischen Infrastruktur sein, diese von Anfang an zu schützen ist gerade in den heutigen Zeiten wichtig – im Einklang mit Kölns Vision für eine sichere und verantwortungsvolle Nutzung von KI.

 

Das Institut ist Ihrer Verkehrsabteilung zugeordnet. Warum?
Das hat zwei Gründe. Zum Ersten gibt es im Bereich Verkehr Anwendungsfälle von KI, bei denen Sicherheit essenziell ist. Nehmen Sie etwa das autonome Fahren: Wenn das selbstfahrende Auto ein Stoppschild nicht erkennt oder verwechselt, kann das lebensgefährlich sein. Wir arbeiten auch an ersten Pilotprojekten im Verkehrsbereich, aktuell etwa in Hamburg, wo wir die Einsatzmöglichkeiten von KI in der Verkehrssteuerung analysieren. Zum Zweiten ist das Personal aus dieser Abteilung hervorragend für die Arbeit mit KI geeignet. Verkehrsforscher*innen haben viel Erfahrung mit komplexen Systemen und deren Analyse. Aktuell haben wir etwa 80 Personen am Institut, mittelfristig soll es auf 120 Mitarbeiter*innen wachsen.

 

Catena-X bringt die Autobranche an einen Tisch: Daten für Nachhaltigkeit

Im Gaia-X-Projekt „Catena-X“ vernetzt das DLR Autohersteller, Zulieferer, Softwarekonzerne, den ADAC und weitere Akteure, um eine sichere Plattform für den Datenaustausch zu schaffen. „Es war eine Herausforderung, Vertrauen zwischen den Partnern herzustellen“, erklärt Steffen Turnbull, Leiter des Teilprojekts „Internationalisierung“. Die Plattform hilft Unternehmen etwa dabei, ihre Lieferketten auf Emissionen zu überprüfen – ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit. „Nur durch Zusammenarbeit lassen sich diese globalen Aufgaben meistern“, so Turnbull. Die Ergebnisse fließen nun in den Catena-X e. V. und in die Entwickler-Community ein.

 

Wo bekommen Sie die zusätzlichen Leute her, die Sie am DLR Institut für KI-Sicherheit einstellen möchten?
Der Fachkräftemangel macht uns zwar wie allen anderen Arbeitgebern auch zu schaffen, aber wir haben einen großen Standortvorteil: Die Menschen – gerade jüngere – wollen gerne in Köln und der Region wohnen. Das weiß ich aus persönlicher Erfahrung, meine Tochter ist nach dem Studium aus Regensburg zurück nach Köln gezogen. Auch ich bin nach dem Studium aus Hessen hierhergekommen, um zu arbeiten. Dazu kommen die vielen hervorragenden Universitäten und technischen Hochschulen, deren Absolvent*innen wir überzeugen wollen und oft auch können. Das ist einer der Gründe, warum dieses Zentrum bei uns angesiedelt wurde und nicht an einem anderen DLR-Standort.

 

Welche Standortvorteile sehen Sie für das DLR in Köln außer dem Fachkräfteangebot?
Wir finden hier in Wahnheide ideale Bedingungen vor. Neben den Fachkräften sind da die gute Anbindung und die zentrale Lage mitten in Europa. Hinzu kommen unsere Nachbarn: Die Zusammenarbeit mit dem Flughafen Köln-Bonn haben wir seit 2021 deutlich verstärkt, und wir wollen hier vor Ort ein Kompetenzzentrum für die Luft- und Raumfahrt schaffen. Auch die Luftwaffe ist nur einen Steinwurf entfernt, in der Kaserne Wahn. Dort befindet sich deren Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin, mit dem wir ebenfalls kooperieren. Gerade der militärische Bereich ist in den vergangenen zwei Jahren wichtiger für uns geworden. Wenn man DLR, Flughafen, Luftwaffe und ESA zusammenzählt, arbeiten 23.000 Leute aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt am Standort Köln. Das ist einzigartig in Europa.

 

„Wichtig ist uns, dass Lösungen europäisch sind“

 

In vielen für Sie wichtigen Bereichen ringt Deutschland um strategische Unabhängigkeit. Was tragen Sie hierzu bei?
Sehr viel, in all unseren Forschungsbereichen! Gleichzeitig sind wir im Bereich Trägersysteme in der Raumfahrt derzeit weltweit im Rückstand, arbeiten jedoch intensiv an Lösungen. Besonders wichtig ist uns dabei, dass diese Lösungen europäisch sind. Dies gilt auch für andere Herausforderungen. Beispielsweise ist unsere Erdbeobachtung durch Satelliten unerlässlich für den Kampf gegen den Klimawandel. Diese Beobachtungen nützen jedoch wenig, wenn sie nur auf Deutschland beschränkt bleiben. Daher ist es für uns von großer Bedeutung, mit Institutionen wie der Europäischen Weltraumorganisation ESA und internationalen Partnern wie Japan und den USA zusammenzuarbeiten, also mit den Ländern, die unsere grundlegenden Werte teilen.

 

Ein aktuelles ESA-DLR-Projekt ist die LUNA-Trainingshalle, die gerade auf dem Gelände in Köln gebaut wird. Was passiert da?
Auf einer Fläche von rund 1.000 Quadratmetern simuliert die ESA die Mondlandschaft, damit die Bedingungen so realistisch wie möglich erkundet werden können. Ein Beispiel: In der Halle wird Spezialsand verwendet, der extrem fein ist. Er kommt aus der Vulkaneifel. Anhand des Sandes können wir gemeinsam mit der ESA testen, wie die Technik standhält. Die LUNA-Halle ist einzigartig auf der Welt. Zwar plant auch die NASA ein Mond-Trainingscenter, aber wir sind die Ersten und wahrscheinlich auch ein gutes Stück besser. Örtliche, aber auch internationale Wissenschaftler*innen und Unternehmen können die LUNA-Halle ebenfalls zu Forschungszwecken nutzen, sodass im Idealfall der gesamte Wirtschaftsstandort Köln profitiert.

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